Rz. 181
Als unbebautes Grundstück gilt nach § 246 Abs. 2 Satz 2 BewG auch ein Grundstück, auf dem infolge der Zerstörung oder des Verfalls der aufstehenden Gebäude auf die Dauer benutzbarer Raum nicht mehr vorhanden ist. Die Zerstörung eines Gebäudes stellt eine physische Einwirkung auf die Bausubstanz eines Gebäudes derart dar, dass infolge der teilweisen bzw. vollständigen Beschädigung oder Entfernung von wesentlichen Gebäudeteilen der ursprüngliche Zweck des Gebäudes nicht mehr, auch nicht eingeschränkt, aufrecht erhalten werden kann. Von einem Verfall ist auszugehen, wenn erhebliche Schäden an konstruktiven Teilen des Gebäudes eingetreten sind und infolge dessen ein Zustand besteht, der aus bauordnungsrechtlicher Sicht eine sofortige Räumung nach sich ziehen würde. im Fall von behebbaren Baumängel und Bauschäden sowie aufgestautem Reparaturbedarf infolge von unterlassenen Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten kommt es im allgemeinen lediglich zu vorübergehenden Auswirkungen auf Art und Umfang der Gebäudenutzung. Die Konstruktion des Gebäudes ist dabei unmittelbar nicht betroffen.
Rz. 182
Die Zerstörung oder der Verfall des Gebäudes hat ein solches Ausmaß zu erreichen, dass aus Gründen der Bauaufsicht oder Gesundheitsaufsicht eine weitere der Zweckbestimmung des Gebäudes entsprechende Benutzung nicht mehr statthaft ist. Das Ende der Benutzbarkeit muss ausreichend objektiviert werden können. Hierfür bedarf es grundsätzlich einer entsprechenden behördlichen Auflage zur sofortigen Räumung sämtlicher Räumlichkeiten vorliegt. Die Vorlage des Gutachtens eines vereidigten Bausachverständigen kann im Einzelfall als Bestätigung für die Charakterisierung des Zustands des Grundstücks als verfallen ausreichend sein.
Rz. 183
Anknüpfend an den Wortlaut des § 246 Abs. 2 Satz 2 BewG muss das Gebäude insgesamt, d.h. sämtliche dort vorhandenen Räumlichkeiten nicht mehr nutzbar sein. Nicht ausreichend für die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 246 Abs. 2 Satz 2 BewG ist damit als Konsequenz, dass nur einzelne Räumlichkeiten oder auch die Mehrheit der Räumlichkeiten nicht benutzbar sind. Eine Anwendung der Vorschrift scheidet daher aus, sofern auch nur ein einziger benutzbarer Raum (z.B. Kellerräumlichkeiten) auf dem Grundstück vorhanden ist. Unerheblich ist dabei, ob sich die bestehende teilweise Nutzbarkeit auf Wohnzwecke bzw. gewerbliche oder freiberufliche Zwecke bezieht.
Rz. 184
Maßgebend für die Abgrenzung zwischen unbebauten und bebauten Grundstücken sind auch bei dieser Anwendungsalternative des § 246 BewG die tatsächlichen Verhältnisse an dem Stichtag, auf den eine Feststellung vorzunehmen ist.
Rz. 185
Im Fall des § 246 Abs. 2 Satz 2 BewG ist identisch zu § 246 Abs. 2 Satz 1 BewG eine zukunftsbezogene Betrachtung bezüglich der dauerhaft fehlenden Nutzbarkeit erforderlich. Eine lediglich stichtagsbezogene Betrachtung ist für die Erfüllung des Tatbestands des § 246 Abs. 2 Satz 1 BewG nicht ausreichend. Als dauerhaft ist ein Zustand anzusehen, der sich vom Zeitpunkt der Betrachtung aus als sich zukünftig – mit hoher Wahrscheinlichkeit – unveränderbar darstellt. Außer Betracht für die Anwendung des § 246 Abs. 2 Satz 2 BewG bleibt damit auch im Fall einer Zerstörung der Räumlichkeit, wenn sich dieser Zustand nur als Zwischenstadium zur Wiederherstellung eines benutzbaren Gebäudes darstellt. Entsprechendes gilt für eine "Entkernung" des Gebäudes.
Rz. 186
Während § 246 Abs. 1 Satz 3 BewG darauf abstellt, ob die bestimmungsgemäße Nutzung zumutbar ist, enthält § 246 Abs. 2 Satz 2 BewG zumindest ausdrücklich keine entsprechende Aussage zu den vorhandenen Räumlichkeiten. Gleichwohl ist aber auch bei dieser Tatbestandsalternative auf die Möglichkeit zur Verwirklichung des ursprünglich vorgesehenen Zwecks der Nutzung des Gebäudes und damit seiner Räumlichkeiten abzustellen. Ist die Zerstörung oder der Verfall so weit fortgeschritten, dass keine Räume mehr vorhanden sind, die einer bestimmungsgemäßen Nutzung auf Dauer zugeführt werden können, so ist ebensowenig von einem bebauten Grundstück auszugehen, wie im Fall der Errichtung eines Gebäudes, dessen Benutzbarkeit i.S.d. § 246 Abs. 1 BewG noch nicht hergestellt ist.
Rz. 187
Unbeachtlich ist bei dieser Tatbestandsalternative, dass das äußere Erscheinungsbild des Bauwerks immer noch den Eindruck zulässt, es handle sich um ein bebautes Grundstück. Entscheidend ist ausschließlich, ob zur dauernden bestimmungsgemäßen Nutzung geeigneter Raum weiterhin dort vorhanden ist.
Rz. 188
Die Feststellung der fehlende Benutzbarkeit ergibt sich im Einzelfall aus einer Gesamtbetrachtung von einzelnen Umständen. Die Feststellung der Zerstörung von Räumlichkeiten oder eines Gebäudes bereitet im Regelfall keine Schwierigkeiten. Schwierig kann dagegen im Einzelfall die Bestimmung des Zeitpunkts sein, ab dem Räumlichkeiten infolge allmählichen Verfal...