Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 70
Eine vom Bundesfinanzministerium eingesetzte Expertenkommission, deren Aufgabe darin bestand, sich mit der Bewertung des Grundbesitzes zu befassen und Vorschläge für ein einfaches Bewertungsverfahren auszuarbeiten, hat der Bundesregierung ihren Abschlussbericht mit Datum v. 29.5.2000 zugeleitet. Danach, so die mehrheitliche Meinung der Sachverständigen, sind bebaute Grundstücke i.d.R. im Sachwertverfahren unter Ansatz der Neuherstellungskosten 1995 mit einem allgemeinen Abschlag von 10 % vom Sachwert und unter Berücksichtigung von Marktanpassungsfaktoren der Länder zu bewerten. Gegen das bisherige Bewertungsverfahren, Ansatz des Gebäudewerts mit Steuerbilanzwerten, wird von den Sachverständigen eingewandt, dass die Steuerbilanzwerte wegen der unterschiedlichen Abschreibungsmöglichkeiten zu Zufallsergebnissen und damit zu einer erheblichen Streubreite der Grundstückswerte führen. Trotz aller Vereinfachung sei daher die Weiteranwendung des Bewertungsverfahrens auch aus verfassungsrechtlicher Sicht als problematisch anzusehen. Darüber hinaus würden praktische Schwierigkeiten auftreten, wenn es sich um ein Grundstück handele, auf dem sich zum Teil Gebäude befinden, die nach dem Ertragswertverfahren zu bewerten seien, und Gebäude, für die sich keine Mieten ermitteln ließen und die demnach unter Ansatz des Steuerbilanzwerts zu bewerten seien. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Expertenkommission ist durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23.6.2015 bestätigt worden (vgl. Anm. 35 ff.).
Rz. 71
Die Sachverständigenkommission ist der Auffassung, dass für die Bewertung des Grundvermögens, auch für die Bewertung bebauter Grundstücke, der gemeine Wert als Richtschnur bei der Wertermittlung Berücksichtigung finden müsse. Dabei werde nicht verkannt, dass es für eine steuerliche Bewertung auf den typisierten gemeinen Wert als Näherungswert ankomme.
Rz. 72
Die Mehrheit der Mitglieder in der Sachverständigenkommission sprach sich dafür aus, bei der Ermittlung des typisierten gemeinen Werts ein durchschnittliches Wertniveau von mindestens 80 % des Verkehrswerts anzustreben. Durch das nach unten korrigierte Wertniveau sollte vor allem die Streitanfälligkeit von Verkehrswertansätzen vermieden werden.
Rz. 73
Mit großer Mehrheit hat sich die Sachverständigenkommission dafür ausgesprochen, grundsätzlich alle bebauten Grundstücke in einem Sachwertverfahren zu bewerten, und zwar unter getrennter Ermittlung des Boden- und Gebäudewerts. Nur bei Mietwohngrundstücken (Gebäude mit mehr als zwei Wohnungen, gewerbliche Nutzung unter 20 %) sowie für bebaute Grundstücke, die üblicherweise vermietet werden, sollte in Anlehnung an die Wertermittlungsverordnung und die Wertermittlungsrichtlinien ein Ertragswertverfahren zugelassen werden.
Rz. 74
Die Sachverständigenkommission votierte bei der Methode für eine Sachwertermittlung für ein sog. Grundflächenverfahren.
Rz. 75
Darstellung des Grundflächenverfahrens
Rz. 76
Das von Sachverständigenkommission vorgeschlagene Bewertungsverfahren weist somit grundsätzliche Parallelen zum seit 2009 für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer geltende Sachwertverfahren des Sechsten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes auf.
Rz. 77
Bei dem Grundflächenverfahren werden der Bodenwert und der Gebäudewert getrennt ermittelt.
Rz. 78
Der Bodenwert sollte wie bei unbebauten Grundstücken unter Ansatz des Bodenrichtwerts ohne Abschlag angesetzt werden.
Rz. 79
Bei dem Gebäudewert sollte auf die Normalherstellungskosten 1995 zurückgegriffen werden, die auf ein Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau aus dem Jahre 1996 zurückgehen. Bei der steuerlichen Bewertung sollte auf die Normalherstellungskosten 1995 zurückgegriffen werden. Dies sollte die Normalherstellungskosten des Jahres 1913/1914 ersetzen, die in der Vergangenheit für die Verkehrswertermittlung anhand des Baukostenindizes auf den Wertermittlungsstichtag hochindiziert wurden. Obwohl die Normalherstellungskosten 1995 für einzelne Gebäudearten neben der einfachen, mittleren und gehobenen Ausstattung auch eine stark gehobene Ausstattung enthalten, sollte bei der steuerlichen Bewertung im Grundflächenverfahren – nach Auffassung der Sachverständigenkommission – die stark gehobene Ausstattung aus Vereinfachungsgründen nicht berücksichtigt werden. Auch diese konzeptionellen Eckpunkte des Grundflächenverfahrens sind weitgehend in die aktuelle Bewertung des Grundbesitzes für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer im Sechsten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes aufgenommen worden.
Rz. 80– 83
Einstweilen frei.