Auf einem bebauten Grundstück befindet sich ein Wohn- und Geschäftshaus (Baujahr 2002), in dem sich ein kleines Ladengeschäft und fünf gleich große Wohnungen befinden. Im Rahmen der Hauptfeststellung auf den 1.1.2022 erklärt der Steuerpflichtige folgende Nutzungen und die dazugehörigen Wohn- und Nutzflächen (WNFl.):
betriebliche Nutzung (Ladengeschäft) |
WNFl.: 150 m[2] |
(18,75 %) |
Nutzung zu Wohnzwecken (fünf Wohnungen) |
WNFl.: 650 m[2] |
(81,25 %) |
Da das Grundstück im Hauptfeststellungszeitpunkt nach dem Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen zu mehr 80 % Wohnzwecken dient, mehr als zwei Wohnungen beinhaltet und kein Wohnungseigentum vorliegt, handelt es sich um ein Mietwohngrundstück i.S.d. § 249 Abs. 4 BewG. Dieses ist gem. § 250 Abs. 2 Nr. 3 BewG im Ertragswertverfahren nach §§ 252–257 BewG zu bewerten. Ausgangspunkt und Grundlage der Bewertung ist daher der gesetzlich vorgegebene Rohertrag (Nettokaltmiete) nach § 254 BewG i.V.m. Anlage 39, Teil I und II zum BewG. Vgl. hierzu auch die Kommentierung zum Ertragswertverfahren.
Im Februar 2025 entschließt sich der Eigentümer, die Wohnung im 1. Obergeschoss (130 m[2]) zu einer Rechtsanwaltspraxis umzubauen. Ab Juli 2025 wird die Praxis an einen Dritten (Rechtsanwalt) vermietet.
Aufgrund der Nutzungsänderung verschiebt sich das Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen. Es ergibt sich folgende Nutzung:
betriebliche Nutzung (Ladengeschäft und Praxis) |
WNFl.: 280 m[2] |
(35 %) |
Nutzung zu Wohnzwecken (vier Wohnungen) |
WNFl.: 520 m[2] |
(65 %) |
Infolge der Nutzungsänderung wird das Grundstück nach dem Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen zu weniger als 80 %, aber mehr als 20 % zu Wohnzwecken genutzt. Folglich liegt nunmehr ein gemischt genutztes Grundstück i.S.d. § 249 Abs. 8 BewG vor. Dieses ist gem. § 250 Abs. 3 Nr. 2 BewG zwingend im Sachwertverfahren nach §§ 258–260 BewG zu bewerten. Das gilt auch, wenn für alle Bauteile des Gebäudes tatsächlich vereinbarte Mieten vorliegen. Wesentliche Grundlage der Bewertung sind in diesem Fall die Normalherstellungskosten i.S.d. § 259 Abs. 1 BewG i.V.m. Anlage 42, Teil II zum BewG.
Die durch die Nutzungsänderung hervorgerufene Änderung der tatsächlichen Verhältnisse wirkt sich auf den Wert und die Grundstücksart aus. Sie ist daher nach § 228 Abs. 2 Satz 1 BewG anzuzeigen. Die Anzeigefrist beträgt einen Monat und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, § 228 Abs. 2 Satz 3 BewG. Fristende ist hier somit der 31.1.2026. Für die Anzeige kann in der Praxis der Vordruck "Grundsteuer-Änderungsanzeige" (GW-5) verwendet werden. Vgl. hierzu auch die Kommentierung zu § 228 BewG.
Die Artfortschreibung vom Mietwohngrundstück zum gemischt genutzten Grundstück, die Bewertung nach dem Sachwertverfahren und die ggf. durchzuführende Wertfortschreibung sind vom Lagefinanzamt auf den 1.1.2026 durchzuführen.