Rz. 31

[Autor/Stand] § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG sieht eine Herabstufung des nach § 5 ErbStG steuerfreien Betrags für den Fall vor, dass die für die zivilrechtliche Ermittlung der Ausgleichsforderung maßgebliche Bewertung höher ist als die Bewertung nach § 12 ErbStG. Dadurch wird der Freibetrag auf den Steuerwert des Endvermögens des Erblassers begrenzt.

Unklar ist, weshalb § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG im Rahmen des ErbStRG nicht gänzlich aufgehoben wurde. Wenn doch der Gesetzgeber davon ausgeht, dass alle Vermögensarten einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgebenden Bewertungsziel ausgerichtet sind[2], kann es keine Abweichung zwischen Verkehrs- und Steuerwerten und damit keine Minderung des steuerfreien Betrages mehr geben.

 

Beispiel

 
Verkehrswert des Endvermögens: 6 Mio.
Steuerwert des Endvermögens (= Verkehrswert): 6 Mio.
Fiktive Ausgleichsforderung: 4 Mio.

Die Vorschrift belegt, dass der Gesetzgeber offensichtlich davon ausgeht, das Ziel einer Bewertung sämtlicher Vermögensgegenstände nach dem Verkehrswert verfehlt zu haben.

Bei der Begrenzung des Freibetrags ist auf den Wert des Endvermögens des Erblassers abzustellen. Die Heranziehung des Endvermögens statt des Nachlasses ist folgerichtig, weil es Vermögenswerte gibt, die zwar zum Endvermögen des Erblassers, nicht aber zu seinem Nachlass gehören. Dazu zählen z.B. Lebensversicherungsansprüche aus einem Vertrag zu Gunsten Dritter[3] oder Hinzurechnungsbeträge nach § 1375 Abs. 2 BGB.

Für den nach Anpassung der Steuerwerte an die Verkehrswerte durch das ErbStRG 2009 seltenen Fall der Abweichung beider Werte voneinander, sieht die Finanzverwaltung[4] die Umrechnung der fiktiven Ausgleichsforderung in den steuerfreien Betrag entsprechend folgender Formel vor:

Die von der Finanzverwaltung vorgesehene Verhältnisrechnung ist zwar von der Rechtsprechung bestätigt[5] worden. Sie wird aber im Schrifttum teilweise kritisiert.[6]

Ausgehend vom Wortlaut der Vorschrift soll nur der dem Steuerwert des Nachlasses entsprechende Betrag die Grenze des Freibetrags bilden, ohne dass es einer Verhältnisrechnung bedarf.

 

Beispiel

 
  Grundfall Abwandlung
Verkehrswert des Endvermögens: 6 Mio. 6 Mio.
Steuerwert des Endvermögens: 3 Mio. 3 Mio.
Fiktive Ausgleichsforderung: 4 Mio. 2 Mio.

Lösung Grundfall:

  a) Auffassung der Finanzverwaltung

Nach Formel: 4 Mio. × 3 Mio. / 6 Mio. = 2 Mio. steuerfreie Ausgleichsforderung

  b) Auffassung Meincke/Hannes/Holtz

Die Ausgleichsforderung von 4 Mio. wird auf den Steuerwert des Endvermögens von 3 Mio. begrenzt, so dass 3 Mio. steuerfrei sind.

Lösung Abwandlung:

  a) Auffassung der Finanzverwaltung

Nach Formel: 2 Mio. × 3 Mio. / 6 Mio. = 1 Mio. steuerfreie Ausgleichsforderung

  b) Auffassung Meincke/Hannes/Holtz

Die Ausgleichsforderung von 2 Mio. wird nicht mehr gemindert, weil der Steuerwert mit 3 Mio. höher ist als die Ausgleichsforderung. Steuerfrei sind somit 2 Mio.

 

Rz. 32– 33

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

 

Rz. 34

[Autor/Stand] Meincke/Hannes/Holtz ist insofern zuzustimmen, als der Gesetzgeber die Anwendung von Verhältnisrechnungen regelmäßig anordnet (z.B. in § 10 Abs. 6 Sätze 4 und 5 ErbStG, § 19a Abs. 3 ErbStG, § 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG, § 27 Abs. 2 ErbStG). Angesichts der übereinstimmenden Auffassung von Finanzverwaltung und Rechtsprechung ist wohl mit einer Änderung des Umrechnungsmodus der fiktiven Ausgleichsforderung in absehbarer Zeit nicht zu rechnen.

[Autor/Stand] Autor: Kirschstein, Stand: 01.04.2023
[2] So die Begründung des Regierungsentwurfs v. 28.1.2008 zum ErbStRG, BT-Drucks. 16/7918, S. 23.
[3] R E 5.1 Abs. 4 Satz 2 ErbStR 2019.
[4] R E 5.1 Abs. 5 Satz 4 ErbStR 2019.
[6] Insbesondere von Meincke/Hannes/Holtz18, § 5 ErbStG Rz. 33 f.
[Autor/Stand] Autor: Kirschstein, Stand: 01.04.2023
[Autor/Stand] Autor: Kirschstein, Stand: 01.04.2023

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