Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 81
Anstelle der Ermittlung des aus den Vergangenheitserträgen abgeleiteten Durchschnittsertrags kann der nachhaltig erzielbare Jahresertrag auch in anderer Weise ermittelt werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Finanzverwaltung von der vergangenheitsorientierten Ermittlung des Jahresertrags nur in Ausnahmefällen abweichen wird. Andernfalls würde ein wesentliches Element des typisierenden vereinfachten Ertragswertverfahrens entfallen und damit möglicherweise den Kern der Vereinfachung in Frage stellen.
Rz. 82
Nach Abschn. 21 Abs. 5 BV-Erlass vom 17.5.2011 kann anstelle der ausschließlich vergangenheitsorientierten Ermittlung des Jahresertrags berücksichtigt werden, dass sich der künftige Jahresertrag durch bekannte objektive Umstände ändert, sofern dies zum Bewertungsstichtag feststeht. Als Beispiel für eine nachhaltige Veränderung des künftig erzielbaren Jahresertrags führt der BV-Erlass vom 17.5.2011 den Tod des Unternehmers an. R B 201 Abs. 5 ErbStR 2011 übernimmt diese Auffassung.
Rz. 83
Beispiel
Die Anteile an einer GmbH gehören einem Professor, der für diese GmbH Gutachten erstellt. Stirbt der Professor, kann die GmbH nicht mehr mit künftigen Jahreserträgen rechnen, sofern die Gutachtentätigkeit von keiner anderen Person erbracht werden kann.
In diesem Fall wäre der Jahresertrag mit 0 Euro anzusetzen. Eine Ableitung aus den Vergangenheitserträgen der GmbH würde zu unzutreffenden Ergebnissen führen.
Rz. 84
Die Finanzverwaltung wird regelmäßig nicht auf ausführliche und fundierte Erläuterungen seitens des Steuerzahlers verzichten, wenn von der vergangenheitsorientierten Ermittlung des Jahresvertrags abgewichen werden soll.
Rz. 85
Sofern damit zu rechnen ist, dass sich der künftige Jahresertrag beispielsweise wegen einer Wirtschaftskrise ändern könnte, hat die Finanzverwaltung bislang keine abweichende Ermittlung des Jahresertrags zugelassen. Jedenfalls ergab sich dies aus den Erläuterungen zu den Erklärungsvordrucken. Zur Begründung wurde angegeben, dass es sich hierbei nicht um objektiv feststehende Umstände handelt. Außerdem seien derartige Veränderungen durch den gesetzlich vorgesehenen Zuschlag (Risikozuschlag) von 4,5 % abgedeckt (§ 203 Abs. 1 BewG).
Rz. 86
Nach Abschn. 19 Abs. 6 Nr. 4 BV-Erlass vom 17.5.2011 hält die Finanzverwaltung für Bewertungsstichtage nach dem 30.6.2011 an dieser Auffassung offenbar nicht mehr fest. R B 199.1 Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 ErbStR 2011 übernimmt diese Auffassung. Danach geht die Finanzverwaltung bei einer allgemeinen Krisensituation u.U. vom Vorliegen begründeter Zweifel an einem nicht offensichtlich unzutreffenden Ergebnis ausgehen. In diesem Fall könnte der Steuerzahler nicht von seinem für Bewertungsstichtage nach dem 30.6.2011 von der Finanzverwaltung grundsätzlich zugestandenen Wahlrecht Gebrauch machen, die Ermittlung des gemeinen Werts im vereinfachten Ertragswertverfahren vorzunehmen, weil der Steuerzahler nach der Auffassung der Finanzverwaltung die Feststellungslast hinsichtlich der Voraussetzungen für das Wahlrecht trägt (vgl. § 199 BewG Anm. 72).
Rz. 87– 88
Einstweilen frei.