Prof. Dr. Franz Jürgen Marx
Rz. 12
Vor dem Ersten Weltkrieg war die Grundsteuer landesgesetzlich geregelt. Eine reichseinheitliche Regelung folgte erstmalig mit dem Landessteuergesetz v. 30.3.1920. § 1 GrStG geht auf § 1 des Grundsteuergesetzes vom 1.12.1936 zurück, der bereits die Berechtigung der Gemeinden zur Erhebung der Grundsteuer als Gemeindesteuer regelte. Die Realsteuergesetzgebung des Reiches bestand aus dem Einführungsgesetz zu den Realsteuergesetzen, dem Gewerbesteuergesetz und dem Grundsteuergesetz, die für das gesamte Reichsgebiet einheitlich geregelt und für ausschließlich erklärt wurden, sodass ergänzende Vorschriften der Länder und Gemeinden auf dem Gebiet der Realsteuern, soweit die Reichsgesetze hierfür keine Ermächtigung enthielten, unzulässig waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb das Grundsteuerrecht weiter anwendbar, soweit nicht einzelne Bestimmungen infolge genereller Anordnungen der Besatzungsorgane oder infolge Änderung der politischen und rechtlichen Verhältnisse ungültig oder gegenstandslos geworden waren.
Mit gleichem Wortlaut wie im Grundsteuergesetz 1936 erfolgte die Regelung in § 1 GrStG 1951. Die Gemeinden waren danach berechtigt, eine Grundsteuer als Gemeindesteuer von dem in ihrem Gebiet gelegenen Grundbesitz zu erheben. Für gemeindefreien Grundbesitz und für Grundbesitz in Gutsbezirken sollte die oberste Landesbehörde die näheren Bestimmungen über die Erhebung der Steuer treffen.
Rz. 13
Der heutige Wortlaut der Norm geht auf das Grundsteuergesetz v. 7.8.1973 zurück, das Teil des Zweiten Steuerreformgesetzes war. Der Gesetzgeber war damals der Ansicht, die Grundsteuer habe gewichtige kommunalpolitische Vorzüge, die ihre Beibehaltung rechtfertigen. Die Erhebung in den übrigen Ländern der EG erfolge in ähnlicher Weise. Im Übrigen könne auf ihr Aufkommen nicht verzichtet werden. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sollte § 1 Abs. 1 GrStG lauten: "Die Gemeinden sind berechtigt, von dem in ihrem Gebiet liegenden Grundbesitz eine Grundsteuer zu erheben." Der Bundesrat äußerte in seiner Stellungnahme Bedenken, aus der Entwurfsfassung könnte die Verpflichtung der Gemeinden abgeleitet werden, künftig im Grundsatz durch eine besondere Satzung festzulegen, dass sie Grundsteuer erheben. In ihrer Gegenäußerung vermochte die Bundesregierung der Auffassung des Bundesrates nicht zu folgen. Sie sei in § 1 des neuen Grundsteuergesetzes bewusst von der bisherigen Formulierung "Die Gemeinden sind berechtigt" abgewichen, weil diese auch den Grundsatz der Ertragshoheit der Gemeinden zum Ausdruck brachte. Die Ertragshoheit der Gemeinden und damit der Charakter der Grundsteuer als Gemeindesteuer ergebe sich heute aber bereits aus Art. 106 Abs. 6 GG. Die Bundesregierung sicherte aber die Prüfung zu, wie in der Bestimmung klargestellt werden kann, dass bereits die Festsetzung eines Grundsteuerhebesatzes die nach § 1 Abs. 1 GrStG erforderliche Entscheidung der Gemeinde beinhaltet. Im weiteren Lauf des Gesetzgebungsverfahrens hat sich keine Änderung des § 1 Abs. 1 GrStG 1973 ergeben.
Rz. 14
In § 1 Abs. 3 GrStG 1973 war vorgesehen, die Frage, wer für gemeindefreien Grundbesitz zur Erhebung der Grundsteuer berechtigt ist, durch Landesgesetz zu regeln. Der Bundesrat führte hierzu in seiner Stellungnahme aus, dass für die Regelung der Grundsteuererhebung für den in gemeindefreien Gebieten gelegenen Grundbesitz der Erlass von Rechtsverordnungen ausreichend sei. Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich einer Ermächtigung der Länder zum Erlass von Verordnungen bestünden nicht. Die Bundesregierung stimmte dem zu, sodass der Änderung im weiteren Lauf des Gesetzgebungsverfahrens Rechnung getragen worden ist.
Rz. 15
Seit der Änderung durch das Gesetz zur Änderung des Grundsteuerrechts v. 7.8.1973 wurde die Vorschrift nicht mehr geändert. § 1 hat auch durch Art. 3 des Gesetzes zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts v. 26.11.2019 ebenfalls keine Änderung erfahren.
Rz. 16– 17
Einstweilen frei.