Rz. 50
Die Gemeinde kann Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint, § 222 Satz 1 AO. Die Stundung ist ein im Billigkeitswege getroffener einseitiger, rechtsgestaltender Verwaltungsakt, der die Fälligkeit eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis hinausschiebt und dem Steuererhebungsverfahren zuzuordnen ist. Sie bezweckt eine befristete Korrektur der steuerlichen Belastung, wenn dem Steuerschuldner nicht zugemutet werden kann, gerade zum Fälligkeitszeitpunkt die Zahlung zu entrichten. Als Ermessensentscheidung ist die Ablehnung einer beantragten Stundung nur eingeschränkt – vor den Verwaltungsgerichten – gerichtlich überprüfbar, § 114 VwGO.
Rz. 51
Eine Stundung ist nur zulässig, wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
- a) Die Einziehung des Anspruchs muss für den Schuldner eine erhebliche Härte bedeuten (s. Rz. 52) und
- b) der Anspruch darf durch die Stundung nicht gefährdet erscheinen (s. Rz. 58).
Rz. 52
Die Stundung setzt voraus, dass die Einziehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis für den Steuerpflichtigen eine momentane besondere – erhebliche – Härte bedeutet. Die Besteuerung als solche ist gerecht, lediglich die Einziehung zum Fälligkeitstag erscheint ungerecht. Die (normale) in jeder Einziehung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis liegende allgemeine Härte ist keine erhebliche Härte. Hinzukommen müssen vielmehr besondere Umstände (die Steuerzahlung führt z.B. zu erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder dem Steuerpflichtigen steht ein Erstattungsanspruch zu), die die Einziehung der Steuer zum Fälligkeitstermin als unbillig erscheinen lassen. Dabei obliegt es dem jeweiligen Steuerpflichtigen, diejenigen tatsächlichen Umstände darzulegen, aus denen sich ergibt, dass die fristgerechte Zahlung aus Gründen, die in seiner wirtschaftlichen Gesamtlage wurzeln, vorübergehend eine erhebliche Härte darstellt. Dazu bedarf es eines zeitnahen Bildes seiner wirtschaftlichen Verhältnisse unter besonderer Berücksichtigung der derzeitigen Liquidität.
Rz. 53
Bei der Prüfung, ob eine erhebliche Härte i.S.v. § 222 AO vorliegt, hat die Gemeinde zwischen dem Interesse des Steuergläubigers an einer vollständigen und gleichmäßigen Steuererhebung und dem Interesse des Steuerpflichtigen an einem Aufschub der Steuerzahlung abzuwägen.
Rz. 54
Es ist zwischen persönlichen und sachlichen Stundungsgründen zu unterscheiden. Insoweit ist eine Parallelität zu § 227 AO gegeben. Ein persönlicher Stundungsgrund liegt vor, wenn der Steuerschuldner vorübergehend zahlungsunfähig (stundungsbedürftig) und auch stundungswürdig ist (s. Rz. 54). Ein sachlicher Stundungsgrund ist gegeben, wenn dem Steuerschuldner unabhängig von seinen persönlichen (wirtschaftlichen) Verhältnissen die Entrichtung der Steuer zum Fälligkeitstermin nicht zugemutet werden kann (s. Rz. 57).
Rz. 55
Ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen derart gemindert, dass ihm die Allgemeinheit die Entrichtung der Steuer zum Fälligkeitstermin nicht zumuten kann, kommt eine Stundung aus persönlichen Gründen in Betracht. Ist die persönliche Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners hingegen endgültig beeinträchtigt, sodass ein Fall der Existenzgefährdung vorliegt, so sind die §§ 163, 227 AO zu prüfen. In Anlehnung an den Erlass nach § 227 AO aus persönlichen Gründen kann eine Stundung nur gewährt werden, wenn sowohl Stundungsbedürftigkeit als auch Stundungswürdigkeit gegeben sind.
Rz. 56
Eine Stundungsbedürftigkeit liegt vor, wenn sich der Steuerpflichtige in einer vorübergehenden wirtschaftlichen Notlage befindet. Eine Existenzgefährdung muss nicht vorliegen. Es genügt bereits, dass die Einziehung des Steueranspruchs bei Fälligkeit zu ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten führen würde, die der Steuerpflichtige nicht in zumutbarer Weise – z.B. durch Aufnahme eines Kredits – überwinden kann. Als stundungswürdig gilt nur derjenige, der aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht über die zur Erfüllung des Anspruchs notwendigen Mittel verfügt. Stundungsunwürdig ist der Stpfl., der durch sein Verhalten in eindeutiger Weise gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen oder seine mangelnde Leistungsfähigkeit selbst herbeigeführt hat.
Rz. 57
Sachliche Stundungsgründe sind von den persönlichen (wirtschaftlichen) Verhältnissen des Steuerschuldners weitgehend unabhängig. Sie ergeben sich aufgrund objektiver Umstände, also aufgrund der Fälligkeit als solcher und den Umständen, die zur Fälligkeit zu dem bestimmten Zeitpunkt geführt haben. Kein Stundungsgrund ist, dass der Steuerschuldner die Steuer vor Abschluss eines Rechtsbehelfsverfahrens bezahlen soll, auf dessen für ihn günstigen Ausgang er setzt und mö...