Steuerliche Billigkeitsmaßnahmen Krieg in der Ukraine

Durch ein aktuelles BMF-Schreiben werden Handlungsspielräume der Finanzverwaltung für zahlreiche Entlastungen und Anträge, sog. Billigkeitsmaßnahmen, ausgeweitet, um die Steuerpflichtigen und Unternehmer zu entlasten, die aufgrund der kriegsbedingten gestiegenen Energiekosten mit nicht unerheblichen Mehrbelastungen zu kämpfen haben.

Das Bundesministerium der Finanzen hat in Zusammenarbeit mit den obersten Finanzbehörden der Länder ein entsprechendes BMF-Schreiben (BMF-Schreiben v. 5.10.2022, IV A 3 - S 0336/22/10004 :001) erlassen.

Herabsetzungsmöglichkeit für Steuervorauszahlungen

Auf Antrag des Steuerpflichtigen werden die Finanzämter bzw. Gemeinden die Vorauszahlungen zur Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, aber auch Gewerbesteuer herabsetzen. Hierfür ist es notwendig, dass der Antragsteller dem Finanzamt die voraussichtliche Mehrbelastung durch die gestiegenen Energiekosten berechnet. Mittels einer Hochrechnung können diese Aufwendungen in die Berechnung des vorläufigen Betriebsergebnisses für 2022 mit einkalkuliert werden. Die Basis der Hochrechnung bildet zumeist der zuletzt vollständig gebuchte Monatsabschluss bzw. Quartalsabschluss 2022 des Unternehmers. Der Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen kann durch das Unternehmen selbst oder den Steuerberater gestellt werden. Eine Anpassung ist jederzeit möglich, da Vorauszahlungsbescheide grundsätzlich unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO ergehen.

Die Herabsetzung der Vorauszahlungen soll laut dem BMF-Schreiben auch rückwirkend für das Kalenderjahr/Wirtschaftsjahr 2022 im Rahmen der Ermessensentscheidungen des Finanzamtes möglich sein.

Praxis-Tipp: aktuelle Zahlen bilden aussagekräftige Basis

Unerlässlich ist, die laufende Buchhaltung stets aktuell zu halten, damit diese eine aussagekräftige Basis für die Hochrechnung und wiederrum für den Antrag auf Anpassung der Vorauszahlungen bildet. Sollte sich die wirtschaftliche Situation abweichend von der Kalkulation entwickeln, ist das Finanzamt hierüber zu unterrichten. Diese Berichtigungspflicht ergibt sich aus § 153 AO und sollte stets beachtet werden.

Stundung von Steuerzahlungen

Nach § 222 Abs. 1 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde. Die Finanzverwaltung verlangt hier in der Regel den Nachweis der erheblichen persönlichen und wirtschaftlichen Stundungswürdigkeit.

Der Antrag auf Stundung ist unter normalen Umständen anhand der aktuellen finanziellen und wirtschaftlichen Situation zu begründen und die Gründe sind in ausreichendem Maße glaubhaft zu machen bzw. nachzuweisen. Für die Glaubhaftmachung der persönlichen Stundungswürdigkeit ist eine umfassende Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse vorzunehmen, insbesondere eine Aufstellung der kurz- bzw. mittelfristig zur Verfügung stehenden Mittel, sog. Liquiditätsstatus. Darüber hinaus lässt sich die Finanzverwaltung die Kontoauszüge der letzten 3 Monate vorlegen.

Die bedeutet für den Steuerpflichtigen einen hohen administrativen Aufwand, der viel Zeit in Anspruch nimmt und damit das Ziel einer schnellen Unterstützung verfehlt. In jedem Einzelfall ist die Finanzverwaltung angehalten, unter Würdigung der entscheidungserheblichen Tatsachen nach pflichtgemäßem Ermessen zu handeln und die einzelnen Fälle zu bescheiden. Die Sachbearbeiter der Finanzverwaltung sind angehalten, ihre Ermessensspielräume verantwortungsvoll auszuschöpfen. Dies würde im Rahmen eines Stundungsantrages bedeuten, dass über die Stundungswürdigkeit ggf. ohne Darreichung aufwendig zusammengestellter Unterlagen (zum Beispiel der kurz- bzw. mittelfristigen Liquiditätsplanung) entschieden werden kann.

Eine aktuelle betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) sowie eine Erläuterung, warum die Stundung begehrt wird, ist indes für einen erfolgreichen Antrag unerlässlich.

Besonderheit bei der Umsatzsteuer: Stundung nur in Ausnahmefällen

Die Stundung von (rückständiger) Umsatzsteuer und Umsatzsteuervorauszahlungen erfolgt grundsätzlich nur in Ausnahmefällen, weil die vom Unternehmer vereinnahmte Umsatzsteuer zurückbehalten und bei Fälligkeit an das Finanzamt abgeführt werden muss. Für den Unternehmer handelt es sich um einen durchlaufenden Posten. Die vereinnahmten Umsatzsteuerbeträge dürfen nicht zur Finanzierung des privaten Lebensunterhaltes oder der Begleichung laufender betrieblicher Kosten verwendet werden.

Verzicht auf Erhebung von Stundungszinsen

Die Finanzverwaltung ist angehalten, auf die Erhebung von Stundungszinsen im Einzelfall zu verzichten, wenn es sich um einen Antragsteller handelt, der seinen Zahlungspflichten bislang stets pünktlich nachgekommen ist und sich aus der Akte keine wiederholten Stundungsanträge oder Anträge auf Vollstreckungsaufschübe ergeben.

Der Verzicht auf die Erhebung von Stundungszinsen kann in Betracht kommen, wenn die Stundung für einen Zeitraum von nicht mehr als 3 Monaten gewährt wird.

Gewährung eines Vollstreckungsaufschubs

Die Finanzverwaltung ist angehalten, den Steuerpflichtigen, die einen entsprechenden Antrag stellen und von der Energiekrise betroffen sind bzw. zukünftig unmittelbar betroffen sein werden und dies entsprechend begründen können, Vollstreckungsaufschub zu gewähren. Auch hier sollen die Sachbearbeiter der Finanzämter wieder sachgerechte Entscheidungen im Rahmen der ihnen zur Verfügung stehenden Ermessensspielräume zugunsten der Steuerpflichtigen ausüben.

Keine hohen Anforderungen an Prüfung der Anträge

Entsprechend dem BMF-Schreiben sollen die Finanzämter bei Anträgen auf Herabsetzung der Steuervorauszahlungen, auf Stundung von Steuerzahlungen, aber auch bei Anträgen auf Vollstreckungsaufschub, die bis einschließlich 31.3.2023 eingehen, keine hohen Anforderungen an die Nachprüfung der vom Steuerpflichtigen eingereichten Daten stellen, um die Entlastung für die Steuerpflichtigen schnellstmöglich zu erreichen. Darüber hinaus sind die Finanzbeamten angehalten, die Anträge zeitnah zu bearbeiten und darüber zu entscheiden, damit die Hilfen, in Form von erstatteten Steuervorauszahlungen oder gewährten Stundungen, zeitnah bei den Steuerpflichtigen ankommen.

Verlängerte Abgabefristen für Steuererklärungen 2020 bis 2024

Wiederholt weist das Bundesministerium der Finanzen auf die verlängerten Steuererklärungspflichten für die Veranlagungszeiträume 2020 bis 2024 (BMF-Schreiben v. 23.6.2022, IV A 3 - S 0261/20/10001 :018) hin. Durch die aktuellen Sonderregelungen gelten folgende Abgabetermine:

Besteuerungszeitraum

Nicht beratene Fälle

Verlängerung um

Beratene Fälle

Verlängerung um

2020

1.11.2021 (bzw. 2.11.2021)

3 Monate

31.08.2022

6 Monate

2021

31.10.2022 (bzw. 1.11.2022)

3 Monate

31.08.2023

6 Monate

2022

2.10.2023

2 Monate

31.7.2024

5 Monate

2023

2.9.2024

1 Monat

2.6.2025

3 Monate

2024

30.4.2026

2 Monate

 Auch diese sollten ausgeschöpft werden, damit ggf. anfallende Abschlusszahlungen zur Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer zeitlich hinausgezögert werden können. Das Ausschöpfen der verlängerten Steuererklärungsfristen kann kurzfristig zu mehr Liquidität beim Steuerpflichtigen bzw. im Unternehmen führen.

Davon unberührt bleibt aber die vorzeitige Aufforderung zur Abgabe von Steuererklärungen durch das Finanzamt gem. § 149 Abs. 4 AO.

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