Rz. 37
Das Wahlrecht ist unbedingt für die eine oder andere Art der Besteuerung auszuüben. Wegen der Möglichkeit der späteren Korrektur der ursprünglichen Entscheidung durch jederzeitige Ablösung der Jahressteuer nach § 23 Abs. 2 ErbStG ist die Entscheidung für die Versteuerung nach dem Jahreswert letztlich aber doch zeitlich nicht unbegrenzt, so dass der Erwerber insoweit kein Risiko eingeht.
Rz. 38
Trifft der Steuerpflichtige, der aufgrund eines der Erbschaftsteuer unterliegenden Vorgangs (§ 1 Abs. 1 ErbStG) ein entsprechendes Recht erworben hat, keine Wahl, geht das Finanzamt von der Regelbesteuerung nach dem Kapitalwert aus.
Rz. 39
Eine Frist zur Ausübung des Wahlrechts ist nicht vorgesehen. Es kann daher nach den allgemeinen Grundsätzen bis zur Bestandskraft der Steuerfestsetzung ausgeübt werden.
Rz. 40
Steht die Steuerfestsetzung unter Nachprüfungsvorbehalt gem. § 164 AO, kann das Wahlrecht jederzeit während der Vorbehaltsfrist ausgeübt, das bereits ausgeübte Wahlrecht aber auch widerrufen werden. Solange die Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, kann der Steuerpflichtige Wahlrechte, die an keine Frist gebunden sind, noch ausüben und auch eine bereits ausgeübte Wahl ändern.
Rz. 41
Bei einer Rente, Nutzung oder Leistung, die mehreren Personen zusteht, kann jeder Berechtigte für seinen Erwerb zwischen den beiden Möglichkeiten der Steuerentrichtung persönlich wählen. Dies folgt daraus, dass dem ErbStG das Besteuerungsprinzip der Erbanfallsteuer zugrunde liegt. Besteuert wird die durch den dem ErbStG unterliegenden Erwerb eintretende Bereicherung des Erwerbers. Grundlage der Besteuerung (§ 10 Abs. 1 ErbStG) ist danach die Bereicherung jedes einzelnen Erwerbers. Für die bei der Besteuerung bestehenden Wahlrechte kann es demzufolge ebenfalls nur auf den einzelnen Erwerber und seinen konkreten Vermögensanfall ankommen.
Rz. 42
Wird – entsprechend dem Antrag des Steuerpflichtigen – der Erwerb nicht nach dem Kapitalwert, sondern nach dem Jahreswert versteuert, ist danach – wie sich ohne Weiteres aus § 23 Abs. 2 ErbStG ergibt – nur noch eine Ablösung der Jahressteuer nach § 23 Abs. 2 ErbStG möglich.
Rz. 43
Nach dem Gesetzeswortlaut steht das Wahlrecht nur dem Erwerber zu. Neben dem Bedachten erkennt die Finanzverwaltung das Wahlrecht jedoch auch dem Schenker zu, der die Zahlung der Steuer auf den Erwerb einer Rente oder anderen wiederkehrenden Nutzung oder Leistung übernommen hat. Dies soll allerdings nicht für die vom Schenker nach § 10 Abs. 2 ErbStG übernommene Steuer gelten, denn insoweit liege ein eigenständiger Erwerb vor, bei dem es sich nicht um eine wiederkehrende Nutzung oder Leistung handele. Mithin müsse der Erwerb insoweit sofort versteuert werden.
Rz. 44
Beispiel: 9
S schenkt ihrem Bruder B (Alter 60 Jahre) im Jahr 2012 ein Grundstück (Grundbesitzwert 50.000 EUR) und eine lebenslange Rente mit einem Jahreswert von 36.000 EUR (Kapitalwert 462.888 EUR). S hat sich verpflichtet, die Schenkungsteuer zu übernehmen.
Erwerb 2012 |
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Kapitalwert der Rente |
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462.888 EUR |
Grundstück |
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+ 40.000 EUR |
Wert der Zuwendung |
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502.888 EUR |
Daraus errechnete Steuer |
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Zuwendung |
502.888 EUR |
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Persönlicher Freibetrag |
./. 20.000 EUR |
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Verbleiben |
482.888 EUR |
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Steuerpflichtiger Erwerb abgerundet |
482.800 EUR |
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Steuer 20 % |
99.560 EUR |
+ 96.560 EUR |
Erwerb einschl. Steuer |
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599.448 EUR |
Persönlicher Freibetrag |
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./. 20.000 EUR |
Verbleiben |
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579.448 EUR |
Steuerpflichtiger Erwerb abgerundet |
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502.800 EUR |
Steuer 20 % |
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115.960 EUR |
Sofortsteuer |
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Grundstück |
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40.000 EUR |
Übernommene Steuer |
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+ 96.560 EUR |
Summe |
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136.560 EUR |
Persönlicher Freibetrag |
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./. 20.000 EUR |
Steuerpflichtiger Erwerb |
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116.560 EUR |
Steuerpflichtiger Erwerb abgerundet |
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116.500 EUR |
Steuer 20 % |
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23.300 EUR |
Jahressteuer |
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Jahreswert der Rente |
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36.000 EUR |
Steuer 20 % |
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7.200 EUR |
Rz. 45
Dieselbe Problematik stellt sich in den Fällen, in denen der Schenker vom Finanzamt für die Steuer statt des Erwerbers in Anspruch genommen wird. Denn nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist Steuerschuldner der Erwerber, bei einer Schenkung aber auch der Schenker. An dem unmissverständlichen Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ändert dies nichts. Danach bleibt es dabei, dass das Wahlrecht ausschließlich dem Erwerber zusteht. Welche Auffassung die Finanzverwaltung zu dieser Problematik vertritt, ist offen. Vorsorglich wäre deshalb daran zu denken, bei jeder Schenkung, die in den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG fallen könnte, dem Schenker – statt des Erwerbers – für den Fall der Inanspruchnahme durch das Finanzamt für die Steuer die Ausübung des Wahlrechts vorzubehalten.
Rz. 46– 48
Einstweilen frei.