Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 51
Besonderheiten werden im typisierten Vergleichswertverfahren nicht berücksichtigt. Dies ergibt sich ausdrücklich aus § 183 Abs. 3 BewG. In diesem Zusammenhang werden insbesondere die den Wert beeinflussenden Rechte und Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art genannt.
Rz. 52
Vordergründig wird mit dieser gesetzlichen Regelung klargestellt, dass sich bei der Bedarfsbewertung Bruttowerte ergeben, bei deren Ermittlung Rechte und Belastungen nicht abgezogen werden, weil derartige Rechte und Belastungen bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs als Nachlassverbindlichkeiten oder Auflagen zu berücksichtigen sind. Die Gesetzesbegründung führt jedoch aus, dass besondere Abweichungen iS des § 14 WertV, wie beispielsweise wertbeeinflussende Rechte und Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art, dem Grunde nach zu berücksichtigen sind. Offenbar werden sie jedoch lediglich wegen der typisierenden Wertermittlung nicht gesondert ermittelt und angesetzt. Der Steuerpflichtige kann nach der Gesetzesbegründung zu § 183 Abs. 3 BewG dennoch eine Berücksichtigung der Rechte und Belastungen innerhalb der Feststellung des Grundbesitzwerts erreichen, wenn er den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 BewG führt.
Rz. 53
Die Gesetzesbegründung ist mE nicht einleuchtend. Denn die dort getroffene Aussage bedeutet, dass innerhalb des Vergleichswertverfahrens nach dem Bewertungsgesetz Rechte und Belastungen bereits dem Grunde nach mit dem Grundbesitzwert abgebildet werden. Lediglich der Höhe nach schlagen sich die wertbeeinflussenden Rechte und Belastungen – aus Gründen der Typisierung – nicht im Grundbesitzwert nieder. Vermutlich sollte mit dieser Regelung zum Ausdruck gebracht werden, dass beim Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts Rechte und Belastungen berücksichtigt werden dürfen.
Rz. 54
Aus der gesetzlichen Formulierung geht dies mE nicht unmittelbar hervor. Sofern man sich der Auffassung der Gesetzesbegründung anschließt, würde dies bedeuten, dass bestehende Rechte und Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art dem Grunde nach (jedoch nicht der Höhe nach) bereits mit dem Ansatz des Grundbesitzwerts abgegolten sind. Somit wäre ein (nochmaliger) Abzug (dem Grunde nach) bei der Ermittlung der Nachlassverbindlichkeiten oder der Auflagen einer Schenkung unzulässig.
Rz. 55
Denn der Höhe nach können Belastungen nur abgezogen werden, wenn sie auch dem Grunde nach anzusetzen sind. Dem Grunde nach sollen die Belastungen entsprechend der Gesetzesbegründung jedoch bereits mit der Bewertung des Grundstücks abgegolten sein. Demzufolge könnte der Steuerzahler Rechte und Belastungen der Höhe nach nur dann bei der Veranlagung zur Erbschaft-/Schenkungsteuer geltend machen, wenn er den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts führt. Es ist nicht erkennbar, dass sich die Finanzverwaltung der engen Auslegung des Wortlauts des Bewertungsgesetzes und der dazugehörenden Gesetzesbegründung anschließt. Vielmehr dürfte davon auszugehen sein, dass Belastungen und Rechte zwar nicht bei der Grundbesitzbewertung nach dem Bewertungsgesetz zu berücksichtigen sind. Jedoch dürfen damit im Zusammenhang stehende Belastungen im Rahmen der Nachlassverbindlichkeiten oder der Berücksichtigung von Auflagen zur Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs offenbar dennoch abgezogen werden. Insofern scheint der von der Finanzverwaltung getroffenen Differenzierung nicht zu viel Bedeutung beizumessen sein. Macht der Steuerzahler innerhalb des Nachweises des niedrigeren gemeinen Werts einen Abzugsbetrag für Belastungen und Rechte im Rahmen des Sachverständigengutachtens geltend, wird die Finanzverwaltung dies ohnehin anerkennen.
Rz. 56
Der Bundesfinanzhof hat in der Vergangenheit in mehreren Urteilen unter Hinweis auf § 68 BewG die Auffassung vertreten hat, dass Rechte und Belastungen dem Grunde nach nicht zur wirtschaftlichen Einheit des Grundvermögens gehören und deshalb auch bei der Ermittlung des Verkehrswerts – entgegen den Vorgaben der WertV – steuerlich nicht bei der Bewertung des Grundstücks berücksichtigt werden dürfen. Es wäre zu wünschen gewesen, dass das Bewertungsgesetz eine deutlichere Regelung getroffen hätte. Dennoch dürfte im Ergebnis die bisherige ablehnende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erneut zu überprüfen sein, weil mit § 198 BewG – anders als im bisherigen Recht – beim Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts ausdrücklich auf die aufgrund des § 199 des Baugesetzbuchs erlassenen Vorschriften verwiesen wird.