Rz. 49
Der unmittelbare Kapitalabfluss durch die Zahlung der Steuer auf den Kapitalwert entfällt bei der Jahreswertbesteuerung. Sofern dem Steuerpflichtigen deshalb schon nicht genügend liquide Mittel zur Verfügung stehen, scheidet die Sofortversteuerung nach dem Kapitalwert von vornherein aus. Bei allen übrigen Steuerpflichtigen ergibt sich zumindest ein Liquiditätsvorteil. Darüber hinaus kann die Jahressteuer im Idealfall aus den laufenden Einnahmen des Steuerpflichtigen aus seinem steuerpflichtigen Erwerb bezahlt werden; ein Zugriff auf die Vermögenssubstanz ist nicht erforderlich. Schließlich ließe sich anführen, dass die Wahl für die Jahreswertbesteuerung nicht letztverbindlich ist, sondern der Steuerpflichtige jederzeit nach § 23 Abs. 2 ErbStG die Jahressteuer mit ihrem Kapitalwert ablösen könnte. Dabei kann für die Zwecke einer grundsätzlichen Abwägung natürlich immer nur davon ausgegangen werden, dass sich der Steuerpflichtige auch an seine zu erwartende statistische Lebenserwartung "hält".
Rz. 50
Moench macht hingegen zu Recht auf nicht unerhebliche Nachteile aufmerksam, die sich aus der Wahl der Jahressteuer in Verbindung mit der späteren Wahl eines Ablösungsbetrags im Vergleich zur Sofortversteuerung ergeben können. Die Nachteile folgen aus Zinseffekten und daraus, dass sich die Sofortsteuer wie der Ablösungsbetrag an der durchschnittlichen Lebenserwartung des Steuerpflichtigen orientiert. Weil die Lebenserwartung im Hinblick auf das erreichbare Endalter mit dem Älterwerden steigt, ist bei der Ermittlung des Ablösungsbetrages im Zweifel ein höheres Endalter als bei der Wahl der Sofortsteuer zugrunde zu legen. Zwar lassen sich auch Vorteile der Ablösung nach § 23 Abs. 2 ErbStG im Einzelfall entwickeln, doch dürfte regelmäßig davon auszugehen sein, dass die Gesamtbetrachtung in diesen Fällen grundsätzlich zu einer höheren Steuerlast führt. Wenn jetzt noch das Risiko besteht, dass der Steuerpflichtige über seine statistische Lebenserwartung hinaus lebt, dürfte regelmäßig die Jahressteuer nicht die erste Wahl sein.
Rz. 51
Abschließend lässt sich somit feststellen, dass es die "richtige" Antwort auf die Frage Kapitalwert oder Jahreswert nicht gibt. Entscheidend sind die Besonderheiten des Einzelfalles. Steht dem Steuerpflichtigen keine ausreichende Liquidität zur Verfügung, scheidet die Sofortversteuerung nach dem Kapitalwert aus. Kann dieser Gesichtspunkt unberücksichtigt gelassen werden, kommt es entscheidend darauf an, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die voraussichtliche Lebenserwartung des Steuerpflichtigen von seiner statistisch zu erwartenden abweicht. Bei Abweichungen nach unten kommt eher die Jahreswertbesteuerung, bei solchen nach oben die Besteuerung nach Kapitalwert in Betracht. Beide Wahlmöglichkeiten müssen aber dann im konkreten Fall rechnerisch betrachtet werden.
Rz. 52
Nur sehr eingeschränkt dürfte künftig das Argument für die Jahreswertversteuerung tauglich sein, dass bislang die aufgrund einer Erbschaftsteuerfestsetzung gemäß § 23 ErbStG gezahlte Erbschaftsteuer bei der Einkommensteuer als Sonderausgabe abziehbar war, soweit Einkünfte als Erwerb von Todes wegen mit Erbschaftsteuer belastet waren. Bisher konnte die nach § 23 ErbStG laufend vom Jahreswert erhobene Erbschaftsteuer als dauernde Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. abgezogen werden, soweit dem Zugriff der Erbschaftsteuer eine Bereicherung unterlegen hat, die wertgleich in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einging. Diese Abzugsmöglichkeit wurde zunächst vom BFH anerkannt und später durch den Gesetzgeber bestätigt (§ 35 Satz 3 EStG a.F.). Nachdem § 35 Satz 3 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 in Wegfall geraten war, geriet der Sonderausgabenabzug in Streit. Dem hat der BFH ein Ende bereitet. Werden außerhalb des Sonderrechts aus § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG EStG wiederkehrende Leistungen vereinbart, gelten § 12 EStG und die allgemeinen Grundsätze des Einkommensteuerrechts uneingeschränkt.
Rz. 53
Hinsichtlich der Frage einer Abzugsmöglichkeit nach aktuell geltendem Recht wurde bereits darauf hingewiesen, dass das Jahressteuergesetz 2008 den Sonderausgabenabzug bei Vermögensübergaben gegen Versorgungsleistungen erheblich geändert hat. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG n.F. sind als Sonderausgaben künftig nur noch abzugsfähig "lebenslange, wiederkehrende Versorgungsleistungen", diese allerdings begrenzt auf Leistungen im Zusammenhang mit ganz bestimmten Vermögensübertragungen § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Nr. a–c und Satz 3). Diese Voraussetzungen liegen bei der Zahlung der Erbschaftsteuer grundsätzlich nicht vor. § 12 EStG sieht in der aktuellen Gesetzesfassung § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG weiterhin nicht als Ausnahme vom Abzugsverbot vor. Demnach ist diese Argumentation des BFH in der Entscheidung vom 18.1.2011 auch auf die derzeitige Rechtslage anwendbar. Es bleibt also auch nach aktuellem Recht dabei,...