Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
1. Begriff
Rz. 72
Die Unterscheidung zwischen den Wertverhältnissen und den tatsächlichen Verhältnissen war der Vergangenheit in erster Linie bei der Einheitsbewertung des Grundbesitzes relevant. Wegen der großen zeitlichen Differenz zwischen dem für die Wertverhältnisse maßgebenden Zeitpunkt (1.1.1935 bzw. 1.1.1964) und dem aktuellen Bewertungsstichtag, zu dem die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend sind, waren entsprechende Auseinandersetzungen zwischen der Finanzverwaltung den Steuerzahler unvermeidlich. Vergleichbare Auseinandersetzungen sind bei der Bewertung der betrieblichen Vermögen bislang ausgeblieben, weil die zeitliche Diskrepanz zwischen den maßgebenden Zeitpunkt nicht derart ausgeprägt war.
Rz. 73
Zu den Wertverhältnissen rechnen insbesondere:
- die Festlegung der Bodenrichtwerte des Gutachterausschusses zu einem bestimmten Zeitpunkt
- die standardisierten Ertragswerte im Bereich der Land- und Forstwirtschaft,
- die Verschlechterung oder Verbesserung der Konjunktur,
- die Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb einer Gemeinde
- die Änderung der allgemeinen Verkehrsverhältnisse,
- die Änderung der politischen Verhältnisse
- die allgemeine Zunahme des Verkehrslärms.
Rz. 74– 76
Einstweilen frei.
2. Wertverhältnisse bei der Bewertung des Grundvermögens
Rz. 77
Die nach Anlage 24 zum BewG einheitlich für mehrere Bewertungsstichtage vorgeschriebenen Regelherstellungskosten bei der Bewertung von Grundstücken im Sachwertverfahren bildet eine Ausnahme vom Grundsatz der Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse zum Bewertungsstichtag. Denn die Regelherstellungskosten gelten unabhängig vom Bewertungsstichtag für den Zeitraum, den das Bewertungsgesetz vorsieht. Danach waren die Regelherstellungskosten mit der Wertbasis 2007 nach Anlage 24 zum BewG i.d.F. des Erbschaftsteuerreformgesetzes für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 und vor dem 1.1.2012 maßgebend. Für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2011 sind die Regelherstellungskosten mit der Wertbasis 2010 nach der Anlage 24 zum BewG i.d.F. des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes maßgebend. Für Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2015 ist mit dem Steueränderungsgesetz 2015 eine Indizierung der Regelherstellungskosten mit dem Baupreisindex eingeführt worden.
Rz. 78
Die Geltungsdauer der Regelherstellungskosten für einen längeren Zeitraum ist von den Bewertungsergebnissen grundsätzlich unproblematisch. Ein kürzerer Zeitraum als eine quartalsweise Aktualisierung der Regelherstellungskosten wäre ohnehin kaum denkbar, weil dieser Zeitraum dem Rhythmus entspricht, in dem das Statistische Bundesamt den Baukostenindex veröffentlicht.
Rz. 79
Dennoch zeigt die bisherige Konzeption des Bewertungsgesetzes eine Schwäche: Die Regelherstellungskosten mussten laufend durch ein besonderes Änderungsgesetz aktualisiert werden, damit sich keine schleichende Unter- oder Überbewertung wegen veränderter Regelherstellungskosten ergibt. Dies wäre mit Blick auf die angestrebte Zielgröße des gemeinen Werts jedenfalls dann nicht mehr hinzunehmen, wenn die Wertabweichung eine akzeptable Bandbreite um den gemeinen Wert überschreitet. Dies würde im Ergebnis erneut zur Verfassungswidrigkeit führen.
Rz. 80
Diese Problematik ist – wie hier bereits bisher vorgeschlagen – mit dem Steueränderungsgesetz 2015 beseitigt worden. Danach ist für Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2015 eine Indizierung der Regelherstellungskosten mit dem Baupreisindex vorgesehen, der vom BMF im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird.
3. Wertverhältnisse bei der Bewertung betrieblicher Vermögen
Rz. 81
Die Wertverhältnisse zum Bewertungsstichtag werden auch bei der Bewertung des betrieblichen Vermögens nicht exakt berücksichtigt. Vielmehr wird der Kapitalisierungszinssatz nach der Vorgabe des § 203 Abs. 2 BewG nur einmal zu Beginn des Kalenderjahres ermittelt und für alle Bewertungen des Kalenderjahrs durch Veröffentlichung des Bundesministeriums der Finanzen im Bundessteuerblatt festgeschrieben. Somit ist die Berücksichtigung von Schwankungen des Kapitalisierungszinssatzes im Laufe des Kalenderjahres im vereinfachten Ertragswertverfahren ausgeschlossen.
Rz. 82
Mit dem Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Kapitalisierungsfaktor für das vereinfachte Ertragswertverfahren auf 13,75 abgesenkt worden. Zudem wird auf eine jährliche Anpassung verzichtet. Ob der Umfan...