Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 195
Ein Industriegebäude in Massivbauweise ist für Schenkungsteuerzwecke auf den 1.8.2023 zu bewerten. Das Gebäude wurde im Rahmen eines Nutzungsrechts auf fremdem Grund und Boden errichtet. Es wird in vollem Umfang zu eigenen betrieblichen Zwecken genutzt und unterliegt einer Spezialnutzung (keine übliche Miete ermittelbar). Das Gebäude wurde 1998 fertig gestellt und weist einen mittleren Gebäudestandard (Stufe 3 = Basis) auf. Die Restlaufzeit des Nutzungsrechts beträgt am Bewertungsstichtag abgerundet noch fünf Jahre (bis 31.10.2028). Das Gebäude ist bei Beendigung des Nutzungsrechts zu beseitigen. Die Brutto-Grundfläche des Gebäudes beträgt 2.750 m2. Für die Errichtung des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden wurde vom Eigentümer des belasteten Grundstücks eine Grundstücksfläche von 3.000 m2 vertraglich überlassen. Hierfür ist ein vertraglich vereinbartes jährliches Nutzungsentgelt in Höhe von 8.000 EUR zu zahlen. Der Bodenrichtwert beträgt 50 EUR/m2. Für die Anwendung des Sachwertverfahrens stehen weder Regionalfaktoren noch Sachwertfaktoren zur Verfügung.
Das Industriegebäude wurde von einem anderen als dem Eigentümer des Grund und Bodens errichtet und ist dem anderen aufgrund der Abrissverpflichtung als Scheinbestandteil des Grund und Bodens zuzurechnen. Es handelt sich damit um ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden. Das Industriegebäude stellt ein Geschäftsgrundstück (nach § 181 Abs. 6 BewG) dar, da das Grundstück zu 100 % den eigenen gewerblichen Zwecken dient.
Für das Geschäftsgrundstück lässt sich aufgrund der Spezialnutzung keine übliche Miete ermitteln, so dass die Bewertung des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden nach dem für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 geltenden Sachwertverfahrens erfolgt (§ 195 Abs. 2 bis 4 BewG). Da weder Regionalfaktoren noch Sachwertfaktoren vom örtlichen Gutachterausschuss zur Verfügung stehen, sind die gesetzlichen Werte maßgebend.
Die typisierte wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer beträgt für ein Industriegebäude nach Anlage 22 zum BewG 40 Jahre. Bedingt durch den bei Beendigung des Pachtverhältnisses notwendigen Abriss des Gebäudes ergibt sich für das Industriegebäude eine verkürzte tatsächliche Gesamtnutzungsdauer. Die tatsächliche Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes beträgt 30 Jahre (1998 bis 2028). Am Bewertungsstichtag ist das Gebäude 25 Jahre alt (1998 bis 2023). Für die Ermittlung des Gebäudesachwerts ist das (neue) für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 geltende Sachwertverfahren anzuwenden (vgl. Kommentierung zu § 190 BewG ab 1.1.2023). Bei der Ermittlung des Gebäudesachwerts ist die Regelung zur Mindest-Restnutzungsdauer i.H.v. 30 % der Gesamtnutzungsdauer (vgl. § 190 Abs. 6 Satz 5 BewG) aufgrund der bestehenden Abrissverpflichtung und der damit tatsächlich begrenzten Restnutzungsdauer gem. § 190 Abs. 6 Satz 6 BewG unbeachtlich.
Der Wert des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden ermittelt sich wie folgt: