Rz. 164
§ 181 BewG enthält in Abs. 9 die Legaldefinition des Begriffs Wohnung. Dabei ist der Begriff der Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne durch das Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.2008 für Zwecke der Grundbesitzbewertung entsprechend den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen erstmals gesetzlich definiert worden und übernimmt die typologische Umschreibung des bewertungsrechtlichen Begriffs der Wohnung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.
Rz. 164.1
Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2022 ist der Wohnungsbegriff im § 181 Abs. 9 BewG an die zur Grundsteuerbewertung geltende Regelung des § 249 Abs. 10 BewG angepasst worden. Danach soll die Wohnfläche nunmehr mindestens 20 m 2 betragen. Im Einzelfall kann aber auch bei einer geringeren Wohnfläche nach der Verkehrsanschauung noch von einer Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinn ausgegangen werden. Dies kann z.B. bei sog. Tiny-Häusern, d.h. Kleinst- oder Mikrohäuser sowie Wohnungen in einem Studentenwohnheim in Betracht kommen. Die gesetzliche Änderung gilt für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023.
Rz. 164.2
Vor der obigen Gesetzesänderung musste die Wohnfläche einer Wohnung mindestens 23 m2 betragen. Es ist zu begrüßen, dass nunmehr sowohl bei der Grundbesitzbewertung als auch bei der Grundsteuerbewertung ein einheitlicher Wohnungsbegriff maßgebend ist. Eine andere Auffassung ließe sich in der Praxis der Steuerbürgerin/dem Steuerbürger auch nur schwerlich vermitteln.
Rz. 165
Eine Wohnung ist in der Regel die Zusammenfassung mehrerer Räume, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, dass den Bewohnern die Führung eines selbstständigen Haushalts möglich ist. Die Zusammenfassung der Räume muss eine von anderen Wohnungen oder (Wohn-)Räumen, baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bilden und einen selbstständigen Zugang haben, der nicht durch einen anderen Wohnbereich führt. Die Räume müssen grds. Wohnzwecken dienen oder zu dienen bestimmt sein. Daneben ist es erforderlich, dass die für die Führung eines selbstständigen Haushalts notwendigen Nebenräume wie Küche (zumindest aber die erforderlichen Anschlüsse für Herd, Wasserzapfstelle und Spüle), Bad oder Dusche und Toilette vorhanden sind. Eine Wohnung kann auch dann vorliegen, wenn die Räume weder über Anschlüsse für Telefon, Internet und Fernsehen noch über einen Briefkasten verfügen. Diese Ausstattungsmerkmale gehören, obwohl sie dem gegenwärtigen Wohnstandard entsprechen, nicht zu den für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Einrichtungen. Vgl. zur erforderlichen Wohnfläche einer Wohnung die Ausführungen unter Rz. 164.1 ff.
Rz. 166
Eigene Zähler und eine eigene Klingelanlage sind keine zwingenden Voraussetzungen, stellen aber ein Indiz für eine eigenständige Wohnung dar.
Rz. 166.1
Der Wohnungsbegriff im bewertungsrechtlichen Sinne setzt nicht voraus, dass die Räume zum dauernden Aufenthalt bestimmt sind und dauernd genutzt werden. Nach der Verkehrsauffassung bilden auch solche Räume eine Wohnung, die nur zeitweise, z.B. zu Erholungszwecken bewohnt werden. Demgemäß steht es ihrer Beurteilung als Wohnung nicht entgegen, dass baurechtliche Vorschriften eine Dauernutzung ausschließen. Entscheidend ist, dass die Räume zur Führung eines selbständigen Haushalts während des ganzen Jahres, d.h. zu jeder Jahreszeit, geeignet sind. Sie müssen demnach winterfest sein. Unter dieser Voraussetzung können auch Ferienhäuser und Ferienapartments, in denen sich dieselben oder wechselnde Bewohner lediglich vorübergehend aufhalten, Wohnungen im bewertungsrechtlichen Sinne darstellen.
Rz. 167
Eine baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit erfordert bei einem Zweifamilienhaus, dass die einzelnen Wohnräume eindeutig auf zwei baulich getrennte Wohnbereiche verteilt sind. Die Zuordnung eines Raums zu einer bestimmten Wohnung entscheidet sich danach, ob der Raum durch seine Lage Teil dieser räumlich abgeschlossenen Einheit ist. Ob die vorhandenen Wohnungen tatsächlich durch zwei Familien oder nur durch eine Familie oder aber durch eine Wohngemeinschaft (z.B. Studenten) genutzt werden, ist unerheblich.
Rz. 168
Der bauliche Abschluss der beiden Wohnungen eines Zweifamilienhauses muss so gegeben sein, dass ein ungehinderter Zutritt von dem einen in den anderen Wohnbereich ausgeschlossen ist. An einem dauerhaften baulichen Abschluss fehlt es, wenn die vorhandene bauliche Trennung der beiden Wohneinheiten ohne besonderen Aufwand aufgehoben oder wieder vorgenommen werden kann. Ist beispielsweise der Durchgang zwischen zwei auf demselben Geschoss befindlichen Wohneinheiten lediglich durch eine Spanplatte versperrt, liegt keine dauerhafte bauliche Trennung vor. Das gilt auch, wenn in einem eingeschossigen Wohngrundstück die beiden Wohnungen (mit jeweils eigenem Eingang) durch eine Tür, die sich zwischen zwei unmittelbar angrenzenden Wohnräumen der be...