Rz. 204

[Autor/Stand] Ein mit einem fremden Industriegebäude bebautes Grundstück ist für Schenkungsteuerzwecke auf den 1.9.2023 zu bewerten. Für die Errichtung des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden wurde vom Eigentümer des belasteten Grundstücks eine Grundstücksfläche von 3.000 m2 vertraglich überlassen.

Der zuletzt vom örtlichen Gutachterausschuss festzustellende Bodenrichtwert beträgt 50 EUR/m2. Das Nutzungsrecht (Überlassung des Grund und Bodens) endet am 31.12.2028. Der vertraglich vereinbarte jährliche Pachtzins beträgt 8.000 EUR.

Das Gebäude wurde im Rahmen eines Nutzungsrechts auf fremdem Grund und Boden errichtet. Es wird in vollem Umfang zu eigenen betrieblichen Zwecken genutzt und unterliegt einer Spezialnutzung (keine übliche Miete ermittelbar). Das Gebäude wurde 1993 fertig gestellt und weist einen mittleren Gebäudestandard (Stufe 3 = Basis) auf. Das Gebäude geht bei Beendigung des Nutzungsrechts auf den Eigentümer des Grund und Bodens über. Hierfür ist eine Entschädigung in Höhe von 60 % des zum Ablauf des Nutzungsrechts bestehenden Gebäudewerts vereinbart worden. Die Brutto-Grundfläche des Gebäudes beträgt 2.750 m2. Für die Anwendung des Sachwertverfahrens stehen weder Regionalfaktoren noch Sachwertfaktoren zur Verfügung.

Es liegt ein mit einem fremden Gebäude bebautes Grundstück (belastetes Grundstück) vor. Das Grundstück dient ausschließlich den betrieblichen Zwecken des Gebäudeeigentümers, daher stellt das belastete Grundstück ein Geschäftsgrundstück i.S.d. § 181 Abs. 6 BewG dar.

Die auf volle Jahre abgerundete Restlaufzeit des Nutzungsrechts beträgt am Bewertungsstichtag 5 Jahre (1.9.2023 bis 31.12.2028 = rd. 5 Jahre und 4 Monate). Da der örtliche Gutachterausschuss keinen Liegenschaftszinssatz ermittelt hat, ist der gesetzliche Liegenschaftszinssatz von 6,0 % maßgebend (§ 195 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 193 Abs. 4 Satz 3 Nr. 5 BewG). Für die Ermittlung des kapitalisierten Entgelts ist der am Bewertungsstichtag vertraglich vereinbarte jährliche Pachtzins (8.000 EUR) zu berücksichtigen. Der zur Bewertung des belasteten Grundstücks erforderliche Vervielfältiger der Anlage 21 und der Abzinsungsfaktor der Anlage 26 zum BewG ergeben sich in Abhängigkeit der auf volle Jahre abgerundeten Restlaufzeit des Nutzungsrechts und des Liegenschaftszinssatzes.

Da das Gebäude bei Ablauf des Nutzungsrechts gegen eine Entschädigung in Höhe von 60 % auf den Eigentümer des Grund und Bodens übergeht, ist ein möglicher Gebäudeansatz beim belasteten Grundstück zu prüfen.

Die typisierte wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer beträgt für ein Industriegebäude nach Anlage 22 zum BewG 40 Jahre. Da das Gebäude bei Ablauf des Nutzungsrechts auf den Eigentümer des Grund und Bodens (Verpächter) übergeht, ergibt sich keine verkürzte tatsächliche Gesamtnutzungsdauer. Am Bewertungsstichtag ist das Gebäude 30 Jahre alt (1993 bis 2023), so dass sich grds. eine Restnutzungsdauer von 10 Jahren ergibt. Hierbei ist aber die Regelung zur Mindest-Restnutzungsdauer i.H.v. 30 % der Gesamtnutzungsdauer (vgl. § 190 Abs. 6 Satz 5 BewG) zu beachten. Die Mindest-Restnutzungsdauer beträgt demnach 12 Jahre (30 % × 40 Jahre Gesamtnutzungsdauer). Da die (Mindest-)Restnutzungsdauer des Gebäudes die Restlaufzeit des Nutzungsrechts von 5 Jahren übersteigt und der Gebäudewert bei Ablauf des Nutzungsrechts zu 40 % entschädigungslos auf den Eigentümer des Grund und Bodens übergeht, ist ein nicht zu entschädigender Wertanteil des Gebäudes bei Ablauf des Nutzungsrechts wertmindernd zu berücksichtigen.

Die Bewertung des Gebäudes ist nach dem für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 geltenden Sachwertverfahrens vorzunehmen (§ 195 Abs. 2 bis 4 BewG sowie Kommentierung zu § 190 BewG ab 1.1.2023), da sich für das Geschäftsgrundstück aufgrund der Spezialnutzung keine übliche Miete ermitteln lässt. Da weder Regionalfaktoren noch Sachwertfaktoren vom örtlichen Gutachterausschuss zur Verfügung stehen, sind die gesetzlichen Werte maßgebend.

Der Wert des belasteten Grundstücks ermittelt sich wie folgt:

 

I. Abgezinster Bodenwert des fiktiv unbelasteten Grundstücks am Bewertungsstichtag

 
Bodenwert (Grundstücksfläche × Bodenrichtwert) 150.000 EUR  
(3.000 m 2 x 50 EUR/m 2 )    
Abzinsungsfaktor (aus Anlage 26 zum BewG) × 0,7473  
(Restlaufzeit des Nutzungsrechts (abgerundet) 5 Jahre  
Bewertungsstichtag 1.9.2023  
Ablauf des Nutzungsrechts 31.12.2028  
Zinssatz (§ 193 Abs. 4 Satz 3 Nr. 5 BewG) 6,0 %)  
Abgezinster Bodenwert   112.095 EUR
 

II. Barwert des vertraglich vereinbarten jährlichen Nutzungsentgelts am Bewertungsstichtag

 
Vertraglich vereinbartes jährliches Nutzungsentgelt 8.000 EUR  
Vervielfältiger (aus Anlage 21 zum BewG × 4,21  
(Restlaufzeit des Nutzungsrechts 5 Jahre (abgerundet)    
Bewertungsstichtag 1.9.2023  
Ablauf des Nutzungsrechts 31.12.2028  
Zinssatz (§ 193 Abs. 4 Satz 3 Nr. 5 BewG) 6,0 %)  
Barwert des vertraglich vereinbarten jährlichen Nutzungsentgelts   33.680 EUR
 

III. Nicht zu entschädigender Wertanteil des Gebäudes bei Ablauf des Nutzungsrechts

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