Rz. 546
Freiwillige Leistungen einer Gesellschaft an ihre Gesellschafter sind, als sog. Leistungen societatis causa betrachtet, grundsätzlich keine Schenkungen i.S.d. § 516 Abs. 1 BGB. Darüber setzt sich § 7 Abs. 6 ErbStG hinweg: Überobligatorische Gewinnauszahlungen, die unzweifelhaft im Gesellschaftsverhältnis "wurzeln", gelten danach ausdrücklich als steuerbare Schenkungen. Auch andere Zuwendungen einer Gesellschaft an einzelne Gesellschafter sollen, so der BGH, regelmäßig auf der gemeinsamen Zweckverfolgung beruhen, demnach im Hinblick auf die Mitgliedschaft und somit nicht unentgeltlich erfolgen. Sie werden, insb. über den angeordneten Fremdvergleich und unter Einbeziehung sog. Sondervergütungen (s. Rz. 540), als verdeckte Erfolgsteilhabe ebenfalls von § 7 Abs. 6 ErbStG umfasst.
Rz. 547
Unmittelbar gilt § 7 Abs. 6 ErbStG allerdings nur für Gesellschafter einer Personengesellschaft: Sie können grundsätzlich in schenkungsteuerbarer Weise aus dem Gesellschaftsvermögen bereichert werden. Ist der Steueranspruch lediglich nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG begründbar, wie bei stillen Gesellschaftern oder ggf. bei übermäßiger Sondervergütung (s. Rz. 544, 545), spricht die von § 7 Abs. 6 ErbStG ausgehende Fernwirkung (s. Rz. 541) jedenfalls nicht gegen eine Besteuerung.
Rz. 548
Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft können, so die derzeitige Praxis, nicht auf Kosten der Gesellschaft bereichert werden. Dies gilt vor allem für Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen, die in Anwendung des Fremdvergleichs sog. verdeckte Gewinnausschüttungen sind, daher "mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis (societatis causa) gewährt werden" und gerade deshalb nicht – zusätzlich neben ihrer ertragsteuerlichen Erfassung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) – der Schenkungsteuer unterliegen sollen.
Rz. 549
Fremdunübliche Zuwendungen sind schenkungsteuerbar, wenn ein Gesellschafter sie von einer Personengesellschaft, nicht aber, wenn er sie von einer Kapitalgesellschaft erhält. Wie erklärt sich dieser Widerspruch? Bei Inkrafttreten des ErbStG 1974 war die künftige Rechtsentwicklung nicht voraussehbar. Es ist daher müßig zu fragen, ob die erst später beginnende Diskussion über die zutreffende schenkungsteuerliche Beurteilung von Bereicherungsvorgängen, an denen Kapitalgesellschaften beteiligt sind (s. Rz. 604 ff.), anders verlaufen wäre, wenn der Gesetzgeber den Tatbestand des § 7 Abs. 6 ErbStG nicht auf Beteiligungen an Personengesellschaften eingeschränkt hätte. Die nunmehr bald 50 Jahre existente Vorschrift ist allerdings, wenn auch mit eingeschränktem Anwendungsbereich, immer noch gültig (s. Rz. 533 ff.). Der II. BFH-Senat hat sie wohl übersehen, als er unangemessene Vorteilszuwendungen einer Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter unter Anwendung des Fremdvergleichs als "verborgene"Ausschüttungen bezeichnete und sie damit faktisch vom Zugriff der Schenkungsteuer befreite. Er könnte den von ihm verursachten Widerspruch auch wieder auflösen. Doch nur wenn tatsächlich dereinst ein einschlägiger Fall vor die Finanzgerichte gelangen sollte, hätte er die Gelegenheit seinen Standpunkt einer "eigenständigen schenkungsteuerrechtlichen Prüfung" zu unterziehen. Naheliegend und konsequent wäre dabei der Blick auf die Spezialvorschrift des § 7 Abs. 6 ErbStG, die zumindest ihrem telos nach nicht unbeachtlich ist. Sie dient damit durchaus als Wegweiser des Gesetzgebers zur schenkungsteuerlichen Beurteilung fremdunüblicher Leistungen von Gesellschaften an ihre Gesellschafter (und/oder ihnen nahestehende Personen).
Rz. 550
Doppelbesteuerung? Der II. BFH-Senat erlaubt den Verzicht auf die Schenkungsbesteuerung sog. verdeckter Gewinnausschüttungen, nur weil sie (nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) auch ertragsteuerlich erfassbar sein könnten. Er mag sich hierzu auf viele Literaten berufen, kann sich allerdings weder auf eine Norm des ErbStG noch eine andere steuerrechtliche Vorschrift stützen. Erst recht trägt der Fremdvergleich seine Auffassung nicht, dessen Funktion letztlich darin besteht fremdunübliche Gestaltungen ertragsteuerlich zu neutralisieren. In Fällen verdeckter Zuwendungen von Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften an einzelne Gesellschafter geschieht dies durch Anwendung der Entnahmeregeln bzw. der Vorschriften betr. verdeckte Gewinnausschüttungen auf den überhöhten Teil der (Sonder-)Vergütung. Da nur dieser Vorteil einem schenkungsteuerlichen Zugriff nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 6 (i.V.m. Abs. 4) ErbStG unterliegt, kommt es zu keiner kumulativen Steuerbelastung des Erwerbers; er wird – wenn überhaupt – ertragsteuerlich lediglich nicht entlastet.