Rz. 68
Nach dem im Bewertungsrecht geltenden Stichtagsprinzip kommt es auch bei der Feststellung der Grundstücksart grundsätzlich auf die tatsächlichen Verhältnisse am maßgeblichen Hauptfeststellungs-, Nachfeststellungs- oder Fortschreibungszeitpunkt (Stichtag) an. Entscheidend sind die tatsächliche Nutzung und der tatsächliche Bestand der Wohnungen am jeweiligen Stichtag. Fragen im Zusammenhang mit der Feststellung der Grundstücksart können sich ergeben, wenn am Bewertungsstichtag einzelne Raumeinheiten noch nicht bezugsfertig sind. Handelt es sich von der Planung her um ein Gebäude mit einer größeren Anzahl von Raumeinheiten, ist als Grundstücksart "unbebautes Grundstück" festzustellen, solange nicht alle Raumeinheiten bezugsfertig sind. Denn bei der Entscheidung, ob ein Gebäude bezugsfertig ist und damit erstmals ein bebautes Grundstück vorliegt, ist auf das ganze Gebäude und nicht auf einzelne Wohnungen oder Räume abzustellen.
Rz. 69
Anders dann, wenn ein Gebäude in Bauabschnitten errichtet wird. Hier gilt jeder in einem beendeten Bauabschnitt errichtete Teil des Gebäudes als ein bezugsfertiges Gebäude, so dass von der Fertigstellung des ersten Bauabschnitts ab ein bebautes Grundstück i.S. des § 74 BewG vorliegt. Für dieses ist die den jeweiligen tatsächlichen Verhältnissen am maßgeblichen Stichtag entsprechende Grundstücksart festzustellen.
Rz. 70
Bei der Errichtung von Zweifamilienhäusern geht die Finanzverwaltung davon aus, dass eine Errichtung in Bauabschnitten regelmäßig nicht vorliegt, wenn die zweite Wohnung eines von der Baubehörde bis zur Bezugsfertigkeit der ersten Wohnung genehmigten Zweifamilienhauses innerhalb von zwei Jahren seit Bezugsfertigkeit der ersten Wohnung fertiggestellt wird.
Beispiel:
Die Baubehörde genehmigt im Herbst 2007 ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung (bewertungsrechtlich: Zweifamilienhaus). Die Hauptwohnung des Hauses wird im Sommer 2008 bezugsfertig. Anschließend wird die Einliegerwohnung überwiegend in Eigenleistung gebaut, sie wird im Sommer 2010 bezugsfertig. In diesem Falle liegt auf die Stichtage 1.1.2009 und 1.1.2010 weiterhin ein unbebautes Grundstück vor. Auf den 1.1.2011 ist die Wert- und Artfortschreibung zum bebauten Grundstück (Grundstücksart Zweifamilienhaus) durchzuführen.
Rz. 71
Liegen die Voraussetzungen einer zusammenhängenden Bauabwicklung nicht vor und ist daher eine Errichtung in Bauabschnitten anzunehmen, so ist nach Bezugsfertigkeit einer Wohnung der bezugsfertige Teil des Gebäudes als "benutzbares Gebäude" i.S. des § 74 BewG anzusehen. Bei der Fortschreibung zum bebauten Grundstück bestimmen sich Wert und Art lediglich nach dem bezugsfertigen Teil des Gebäudes (Abschn. 47 Abs. 2 Satz BewRGr). Nach der Bezugsfertigkeit des ersten Bauabschnitts eines Zweifamilienhauses ist daher in Fällen dieser Art die Grundstücksart "Einfamilienhaus" festzustellen. Nach Fertigstellung der zweiten Wohnung ist die Grundstücksart "Zweifamilienhäuser" festzustellen. Allein diese Rechtsansicht ist mit dem Stichtagsprinzip vereinbar.
Hier ist für den Wohnungsbegriff natürlich auch auf den "neuen Wohnungsbegriff" abzustellen (vgl. Rz. 27 f.).