Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
1. Eingeschränkte Nachweismöglichkeit vor 2007
Rz. 175
Nach der gesetzlichen Regelung des § 148 BewG erfolgte die Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden und von Grundstücken mit fremden Gebäuden für Besteuerungszeitpunkte vor dem 1.1.2007 nach § 148 Abs. 2 BewG i.d.F. vor dem Jahressteuergesetz 2007 in analoger Anwendung der für Erbbaurechte geltenden Regelungen. Somit hatte der Steuerpflichtige keine Möglichkeit, für Gebäude auf fremdem Grund und Boden und Grundstücke mit fremden Gebäuden einen unter dem Steuerwert liegenden Verkehrswert nachzuweisen.
a) Verstoß gegen das Übermaßverbot
Rz. 176
Auch bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden und von Grundstücken mit fremden Gebäuden ergaben sich in der Praxis Konstellationen, die wegen der fehlenden Nachweismöglichkeit ganz erhebliche Nachteile des Steuerzahlers auslösen konnten. Deshalb hat der BFH seine Rechtsprechung zum Übermaßverbot bei Erbbaurechten auch auf Gebäude auf fremdem Grund und Boden ausgedehnt. Dabei hatte sich der BFH mit der Frage auseinanderzusetzen, wann das Übermaßverbot verletzt ist.
Rz. 177
In dem Klagefall ist der Kläger Erbe der am 28.10.1997 verstorbenen E. Zum Nachlass rechnete ein Grundstück. Das Grundstück war mit einer Tankstelle mit Pkw-Abstellhalle bebaut. Die Gebäude hatte der Kläger aufgrund einer Grunddienstbarkeit errichtet. Er war deren Eigentümer und musste die Gebäude bei Pachtende entfernen. Die Pacht für das Grundstück betrug in den letzten drei Jahren vor dem Erbfall jährlich 24 000 DM.
Rz. 178
Das FA stellte den Grundstückswert zum 28.10.1997 auf 446 000 DM fest. Es hatte diesen Wert durch Multiplikation der jährlichen Pacht mit dem Faktor 18,6 errechnet. Der vom FA beauftragte Gutachterausschuss ermittelte einen Verkehrswert des Grundstücks von 310 000 DM. Das FG wies die Klage ab. Es führte aus, dass die vom FA vorgenommene Wertermittlung den gesetzlichen Vorschriften entspreche. Diese Bestimmungen seien im Streitfall analog anzuwenden. Der vom Kläger geltend gemachte Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts des belasteten Grundstücks sei gesetzlich nicht vorgesehen. Zwar sei in den Fällen, in welchen die Bewertung nach § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG a.F. zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führe, § 148 BewG im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung durch eine dem § 145 Abs. 3 Satz 3 und dem § 146 Abs. 7 BewG a.F. entsprechende Öffnungsklausel zu ergänzen. Eine solche Öffnungsklausel sei geboten, wenn anders § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG a.F. wegen Verstoßes gegen das verfassungsrechtlich garantierte Übermaßverbot verfassungswidrig wäre (vgl. hierzu auch Anm. 152). Im Streitfall betrage der gemeine Wert des Grundstücks 310 000 DM. Dieser Wert weiche um weniger als 50 % von dem vom FA durch Anwendung des § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG a.F. ermittelten Wert ab und sei deswegen nicht offensichtlich unzutreffend.
Rz. 179
Die dagegen erhobene Revision des Klägers hatte Erfolg. Der BFH hob die Vorentscheidung auf und setzte den Grundstückswert auf den Verkehrswert von 310 000 DM herab. Er führte im Wesentlichen aus: Der Grundstückswert für Grundstücke, auf denen sich Gebäude auf fremdem Grund und Boden befinden, sei grundsätzlich gem. § 148 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BewG a.F. zu ermitteln. Verstoße der nach § 148 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BewG a.F. ermittelte Wert indessen im Einzelfall gegen das Übermaßverbot, sei er im Wege verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift auf den Verkehrswert des Grundstücks herabzusetzen.
b) Abweichung von mehr als 50 %
Rz. 180
Mit Urteil v. 25.4.2002 entschied das FG Düsseldorf, dass die Bewertung eines mit einem fremden Gebäude bebauten Grundstücks grundsätzlich mit dem 18,6-fachen des jährlichen Pachtzinses vorzunehmen sei. Komme es indessen nach dieser Bewertungsmethode zu einer unzutreffenden Besteuerung, weil der so ermittelte Wert den Verkehrswert (gemeinen Wert) des Grundstücks um mehr als 50 % übersteige, so sei i.S. einer verfassungskonformen Auslegung der Ansatz des niedrigeren Verkehrswerts zulässig. Die dagegen erhobene Revision des FA hatte keinen Erfolg. Vielmehr bestätigte der BFH die Vorentscheidung. Übersteige der durch die Bedarfsbewertung ermittelte Wert eines mit einem Gebäude auf fremdem Grund und Boden bebauten Grundstücks den gemeinen Wert des Grundstücks und führe dies zu einem Verstoß gegen das Übermaßverbot, so sei der Grundstückswert durch verfassungskonforme Auslegung des § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG a.F. in Höhe des nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks in unbebautem Zustand festzustellen.
Rz. 181
In einem Aussetzungsverfahren hielt es der BFH für ernstlich zweifelhaft, ob die Bewertung des mit einem Gebäude auf fremdem Grund und Boden bebauten Grundstücks nach § 148 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BewG a.F. mit dem 18,6-fachen des nach den vertraglichen Bestimmungen im Besteuerungszeitpunkt zu zahlenden jährlichen Entgelts für die Grundstücksnutzung wegen ...