A. Entstehung der Vorschrift
Rz. 1
§ 70 Abs. 1 BewG stimmt inhaltlich mit § 50 Abs. 1 Satz 3 BewG 1934 überein. Letztere Vorschrift geht auf § 54 Abs. 1 Satz 3 BewG 1931 und § 34 Abs. 1 Satz 2 BewG 1925 zurück.
Rz. 2
§ 70 Abs. 2 BewG hat in den vor dem BewG 1965/1974 geltenden Vorschriften für die Einheitsbewertung des Grundvermögens keinen Vorgänger. Seine Regelung entspricht einem praktischen Bedürfnis, insbesondere im Zusammenhang mit der Errichtung großer Reihenhaussiedlungen in der Nachkriegszeit. § 70 Abs. 2 BewG ist dem § 34 Abs. 5 BewG nachgebildet, einer Vorschrift, die für die Abgrenzung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens schon im BewG 1934 enthalten war.
Rz. 3
§ 70 Abs. 3 BewG hat in § 50 Abs. 3 BewG 1934 sowie in § 54 Abs. 3 BewG 1931 und § 34 Abs. 3 BewG 1925 vergleichbare Vorgänger. § 70 Abs. 3 BewG erfasst jedoch erstmals ausdrücklich den Sachverhalt, dass ein Gebäude, das nicht von einem anderen als dem Eigentümer des Grund und Bodens errichtet wurde, aufgrund wirtschaftlichen Eigentums einem Dritten zuzurechnen ist.
B. Anwendungsbereich der Vorschrift
Rz. 4
§ 70 BewG gilt allein für die Einheitsbewertung des Grundbesitzes gem. §§ 19 ff. BewG. Für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2008 fand § 70 BewG keine Anwendung bei der Bedarfsbewertung im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Denn § 138 Abs. 3 Satz 1 BewG ordnete und ordnet ausdrücklich an, dass für die wirtschaftlichen Einheiten beim Grundvermögen und für Betriebsgrundstücke i.S.d. § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG "die Grundbesitzwerte unter Anwendung der §§ 68, 69 und 99 Abs. 2 und der §§ 139 und 145 bis 150 zu ermitteln" sind. Auf § 70 BewG wurde folglich nicht verwiesen. Im Zuge der Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts wurden aber im 6. Abschnitt des 2. Teils des Bewertungsgesetzes die Bewertung des Grundvermögens und die Abgrenzung des Grundvermögens originär geregelt (vgl. §§ 157 ff. BewG). Auf § 70 BewG wird jetzt in § 157 Abs. 3 Satz 2 BewG verwiesen. Danach gilt § 70 BewG mit der Maßgabe, dass der Anteil des Eigentümers eines Grundstücks an anderem Grundvermögen (zum Beispiel an gemeinschaftlichen Hofflächen oder Garagen) abweichend von § 157 Abs. 2 Satz 1 BewG in das Grundstück einzubeziehen ist, wenn der Anteil zusammen mit dem Grundstück genutzt wird. Dies entspricht der früheren Anordnung in § 138 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F.
Rz. 5
Die wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens wird vom BewG als Grundstück bezeichnet. Der Begriff "Grundstück" darf jedoch nicht mit dem Begriff "Grundbesitz" verwechselt werden. Der Grundbesitz umfasst die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, des Grundvermögens und die Betriebsgrundstücke (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Als Grundstück wird dagegen vom Bewertungsgesetz nur ein Teil des Grundbesitzes bezeichnet, nämlich die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens. Die wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens besteht aus dem Grund und Boden, und zwar aus dem Grund und Boden allein, wenn er nicht bebaut ist – unbebautes Grundstück –, oder aus dem Grund und Boden einschließlich der Bestandteile und des Zubehörs, wenn er bebaut ist – bebautes Grundstück.
Rz. 6
Der Begriff des Grundstücks i.S.d. Bewertungsrechts deckt sich weder mit dem Grundstück i.S.d. bürgerlichen Rechts noch mit dem Flurstück (Katasterparzelle) i.S.d. Katasterrechts. Grundstück i.S.d. bürgerlichen Rechts ist ein Teil der Erdoberfläche, der im Grundbuch eine besondere Stelle (Grundbuchblatt) hat (§ 3 GBO). Flurstücke sind eindeutig begrenzte Teile der Erdoberfläche, die durch das amtliche Vermessungswesen geometrisch festgelegt und bezeichnet sind. Flurstücke sind die Grundstücksflächen, die in dem amtlichen Verzeichnis nach § 2 Abs. 2 GBO, dem Liegenschaftskataster oder seinen Vorgängern unter einer besonderen Nummer oder einem besonderen Buchstaben aufgeführt sind. Das Flurstück ist die kleinste Buchungseinheit des Liegenschaftskatasters. Es ist in Flurkarten, Liegenschaftskarten und Katasterbüchern nachgewiesen.
Rz. 7
Der Begriff des Grundstücks i.S.d. Bewertungsrechts ist insofern enger als der gleich lautende Begriff des bürgerlichen Rechts, als er nicht den land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz und die Betriebsgrundstücke umfasst. Andererseits kann das bewertungsrechtliche Grundstück sich aus mehreren Grundstücken i.S.d. bürgerlichen Rechts zusammensetzen; es kann aber auch nur Teil eines bürgerlich-rechtlichen Grundstücks sein. Ähnliches gilt bezüglich des Flurstücks (Katasterparzelle). Das bewertungsrechtliche Grundstück kann mehrere Flurstücke umfassen, es kann aber auch nur Teil eines Flurstücks sein.
Rz. 8
Grundstücke i.S.d. Bewertungsrechts können unbebaute (§§ 72, 73 BewG) oder bebaute (§§ 74 f. BewG) sein. Bebaute Grundstücke sind solche, auf denen sich bezugsfertige ...