A. Allgemeines
Rz. 1
Aus dem Gebäudenormalherstellungswert ergibt sich nach Berücksichtigung der Altersminderung i.S.d. § 86 BewG und der Berücksichtigung der Wertminderung wegen baulicher Mängel und Schäden i.S.d. § 87 BewG der Gebäudesachwert, der die maßgebliche Grundlage für den Gebäudewert bildet. Für die Bemessung des Werts eines Grundstücks ist somit neben seinem Alter insb. auch sein baulicher Zustand von ausschlaggebender Bedeutung. Die Wertminderung wegen Alters gem. § 86 BewG berücksichtigt regelmäßig nur die normalen Verschleiß- und Alterserscheinungen eines Gebäudes. Daneben können aber auch bauliche Mängel und Schäden an einem Gebäude dessen Wert mindern. In diesem Zusammenhang enthält § 87 BewG für das Sachwertverfahren die für diesen Zweck entsprechende Vorschrift.
Rz. 2
Eine entsprechende Regelung ist auch im Rahmen des Ertragswertverfahrens vorgesehen. In § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BewG ist bestimmt, dass der Grundstückswert für den Fall zu ermäßigen ist, dass behebbare Baumängel und Bauschäden vorliegen, die weder in der Höhe der Jahresrohmiete noch in der Höhe des Vervielfältigers ihre Berücksichtigung gefunden haben. Der BFH hält es im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Bedenken wegen des Unterbleibens einer allgemeinen Neubewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer mit verfassungsrechtlichen Anforderungen insbesondere auf unbegrenzte Dauer nicht für hinnehmbar, dass eine Wertminderung wegen Alters nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt gem. § 83 Satz 3 i.V.m. § 86 BewG ausgeschlossen ist. Dies gilt jedoch nicht für Wertminderungen, soweit diese nach den §§ 87 ff. BewG in Betracht kommen. Insoweit ist es unerheblich, ob die Mängel bereits zum Zeitpunkt der Hauptfeststellung zum 1.1.1964 vorgelegen haben. Vielmehr können im Gegensatz zum Alterswertabschlag die für die §§ 87 ff. BewG einschlägigen Sachverhalte auch erst in der Folgezeit nach dem 1.1.1964 sich verwirklicht haben.
Rz. 2.1
Zeigen sich Bauschäden und Baumängel, die im bisherigen Einheitswert noch nicht berücksichtigt wurden, so kann das Grund für eine Wertfortschreibung sein. Behebbare Baumängel können im Ertragswertverfahren nach § 82 Abs. 1 Nr. 2 BewG bzw. im Sachwertverfahren nach § 87 BewG berücksichtigt werden. Nicht behebbare Baumängel werden berücksichtigt, indem im Rahmen von § 86 Abs. 3 BewG von einer kürzeren Lebensdauer des Gebäudes ausgegangen wird.
Rz. 2.2
Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr im Hinblick auf die Vorlage des BFH (vgl. Rz. 5) mit Urteil vom 10.4.2018 entschieden, dass die Bewertung von Grundstücken für Zwecke der Grundsteuer verfassungswidrig sei, und dem Gesetzgeber für eine Neuregelung der gesetzlichen Bewertungsregelungen eine Frist bis zum 31.12.2019 gesetzt (vgl. zur BVerfG-Entscheidung ausführlich § 86 BewG Rz. 6, 7).
Rz. 2.3
Im Rahmen einer Neuregelung der Grundsteuer sollten aus meiner Sicht die folgenden Aspekte mit berücksichtigt werden:
- Konkretisierung des Begriffs der "unverhältnismäßigen Kosten" zur Schadensbeseitigung als für den Steuerpflichtigen eindeutig ermittelbare Größen des Gebäudes (vgl. Rz. 7);
- Berücksichtigung der unverhältnismäßigen Kosten zur Schadensbestätigung nach aktuellen Preisen und in absoluten Beträgen (vgl. Rz. 16 ff.);
- keine Abhängigkeit der Kosten für eine Schadensbeseitigung vom Alter des zu bewertenden Gebäudes, d.h. keine Anwendung des Grundsatzes "Je höher das Alter, desto geringer die zu berücksichtigenden Kosten" (vgl. Rz. 20).
Rz. 2.4
In der Neuregelung des ab dem 1.1.2025 für das Sachwertverfahren geltenden § 259 BewG erfolgt keine differenzierte Berücksichtigung von in Betracht kommenden Ursachen für eine Wertminderung. Eine Verkürzung der Restnutzungsdauer kommt nur bei bestehender Abbruchverpflichtung für das Gebäude in Betracht. Insbesondere Baumängel und Bauschäden oder wirtschaftliche Gegebenheiten sind nicht einer Abbruchverpflichtung gleichzustellen und führen nicht zu einer Verkürzung der Restnutzungsdauer bei der Ermittlung des Grundsteuerwertes. Dies gilt insbesondere auch für nicht behebbare Baumängel oder Bauschäden (z.B. Kriegsschäden, Bergschäden), die selbst durch Ausbesserung nicht auf Dauer beseitigt werden können. Wertminderungen wegen baulicher Mängel und Schäden, die weder bei der Ermittlung des Gebäudenormalherstellungswerts noch bei der Wertminderung wegen Alters berücksichtigt werden, sind im Rahmen des Sachwertverfahrens gemäß § 259 BewG – vergleichbar zu § 87 BewG – nicht vorgesehen.