A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 1
§ 16 ErbStG regelt die persönlichen Freibeträge. Der Freibetrag verändert sich mit dem Näheverhältnis zwischen dem Zuwendenden und dem Erwerber. Die neuen Freibeträge auf Grund des ErbStRG gelten nur für Erwerbe, bei denen die Steuer nach dem 31.12.2008 entstanden ist (s. § 9 ErbStG). Ein Wahlrecht wie ansonsten bei Erwerben von Todes wegen in der Zeit vom 1.1.2007 bis zum 31.12.2008 (s. Art. 3 ErbStRG) gibt es nicht. Die Freibeträge sind unterteilt in solche für unbeschränkt Steuerpflichtige und in beschränkt steuerpflichtige Erwerbe.
Alle zehn Jahre nach der Zuwendung können die Freibeträge erneut in Anspruch genommen werden. Dies folgt aus § 14 ErbStG.
Für unbeschränkt steuerpflichtige Erwerbe gibt es je nach Steuerklasse des Erwerbers zum Teil erheblich unterschiedliche Freibeträge: 500.000 Euro, 400.000 Euro, 200.000 Euro, 100.000 Euro und 20.000 Euro. Dies folgt aus der Verweisung auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (s. § 2 ErbStG Rz. 13).
Rz. 2
Für beschränkt steuerpflichtige Erwerbe nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG gab es bis zum 25.6.2017 nur einen Freibetrag von 2.000 Euro, unabhängig davon, ob ein Ehegatte, Kind oder Neffe oder sonst irgendjemand erwarb.
Für Erwerbe ab dem 14.12.2011 hatte es ein Antragsrecht nach § 2 Abs. 3 ErbStG durch das BeitrRLUmsG v. 7.12.2011 (s. § 2 ErbStG Rz. 14) gegeben, insgesamt als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden (ab 25.6.2017 ist das Antragsrecht wieder weggefallen).
Der EuGH hatte jedoch dann mit Urteil vom 8.6.2016 (s. § 2 ErbStG Rz. 15 ff.) entschieden, dass die Freibetragsgewährung nicht von einer Antragstellung abhängig sein dürfe und damit gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV verstoße.
Der deutsche Gesetzgeber hat daraufhin mit Art. 4 Nr. 5 b des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes vom 23.6.2017 i.V.m. § 16 Abs. 2 ErbStG n.F. auch für alle beschränkt Steuerpflichtige die Freibeträge für unbeschränkt Steuerpflichtige gewährt. Diese würden jedoch bei zusätzlichem Auslandsvermögenserwerb teilweise gemindert (s. Rz. 31). Diese Regelung gilt gem. § 37 Abs. 14 ErbStG n.F. für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 24.6.2017 entstanden ist. Eine Unterscheidung zwischen EU- und Drittstaaten gibt es aufgrund der Kapitalverkehrsfreiheit nicht.
Der BFH hatte noch kurz vor der Neuregelung durch den Gesetzgeber durch das StUmgBG vom 23.6.2017 mit Urteilen vom 10.5.2017 entschieden, dass auch beschränkt Steuerpflichtige beim Tod des Ehegatten den Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.H.v. 500.000 Euro erhalten (jedoch unabhängig vom Anteil des inländischen Vermögens am Gesamterwerb (s. Rz. 27 ff.).
Rz. 3
Die Freibeträge gelten für jeden einzelnen Erwerb sowohl bei Erwerben von Todes wegen und Schenkungen unter Lebenden. Der Freibetrag ist bei Erwerben jeden Elternteils zu berücksichtigen, z.B. bei Pflichtteilsansprüchen, die bei Tod jedes Elternteils entstehen. Bei gleichzeitigem Versterben gilt. § 11 Verschollenheitsgesetz (s. § 3 ErbStG Rz. 76). Der Anreiz ist groß, durch sog. Kettenschenkungen die Freibeträge optimal auszunutzen (s. dazu § 7 ErbStG Rz. 51) und § 15 ErbStG Rz. 54)
Beim Berliner Testament (s. § 15 ErbStG Rz. 85 ff.) versucht die Literatur durch sog. Supervermächtnisse bei jedem Erbfall der Eltern die Freibeträge für die Schlusserben zu erhalten (s. § 3 ErbStG Rz. 125 bis 126).
Erbt der Erbe vom Vorerben dessen Eigenvermögen und Vermögen aus mehreren Vorerbschaften, liegen ungeachtet dessen, dass zivilrechtlich mehrere Erbmassen vorhanden sind, hinsichtlich der Nacherbschaften aufgrund der gesetzlichen Fiktion in § 6 Abs. 1 ErbStG erbschaftsteuerlich nicht mehrere Erwerbe, sondern ein einheitlicher Erwerb vom Vorerben vor, für den insgesamt nur ein persönlicher Freibetrag nach § 16 ErbStG in Anspruch genommen werden kann.
Beispiel: s. § 6 ErbStG Rz. 76.
Offen ist derzeit noch die Beantwortung der Frage nach Kirschstein welches Verhältnis im Rahmen des Antrags nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG zugrunde zu legen ist, wenn der Vorerbe Erwerbe von mehreren Erblassern erhalten hat, die jeweils auf den Nacherben übergehen, für die aber im Verhältnis zum Nacherben unterschiedliche Steuerklassen gelten. Der Gesetzeswortlaut spricht nämlich nur vom Verhältnis des Nacherben zum Erblasser.
Rz. 4
Bei hohen Vermögen ist das Berliner Testament steuerlich von Nachteil, weil der Kinderfreibetrag im Erbfall des ersten verstorbenen Elternteils verloren geht. Das Vermögen beider Elternteile liegt nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten in der Hand des überlebenden Ehegatten, nach dessen Tod geht es auf die Kinder als sog. Schlusserben über. Gleiches gilt bei der Vor- und Nacherbschaft (s. § 6 ErbStG Rz. 75).
In beiden Fällen ist aber auch nach dem 1. Todesfall noch eine Abhilfe möglich, wenn der überlebende Ehegatte zugunsten der Kinder die Erbschaft ausschlägt und sich eine Abfindung ausbedingt, die den Kindern einen Erwerb in Höhe der Kinderfreibeträge belässt oder die Kinder i...