A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 1
Der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG die Zweckzuwendungen. Zweckzuwendungen sind nach § 8 ErbStG Zuwendungen von Todes wegen oder freigebige Zuwendungen unter Lebenden, die mit der Auflage verbunden sind, zu Gunsten eines bestimmten Zwecks verwendet zu werden, oder die von der Verwendung zu Gunsten eines bestimmten Zwecks abhängig sind, soweit hierdurch die Bereicherung des Erwerbers gemindert wird.
Rz. 2
In der Zweckzuwendung treffen zwei steuerpflichtige Vorgänge zusammen, nämlich zum einen die Zuwendung und zum anderen die Zweckauflage. Die Steuerpflicht der Zuwendung richtet sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ErbStG, je nachdem, ob sie ein Erwerb von Todes wegen oder ein Erwerb durch Schenkung unter Lebenden begründet. § 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 8 ErbStG befasst sich nicht mit der Besteuerung dieser Zuwendung, sondern mit der Besteuerung der mit dieser Zuwendung verbundenen Zweckauflage.
Rz. 3
Der Auflage gleichgestellt ist die Belastung des Zuwendungsempfängers mit gewissen Leistungen, die dieser aufbringen muss, um eine mit der Zuwendung verknüpfte Erwerbsbedingung zu erfüllen. Das Gesetz spricht von Zweckzuwendungen, weil es in der Leistung des Zuwendungsempfängers zur Erfüllung der Auflage oder der Bedingung eine mit der Hauptzuwendung gekoppelte zweite Zuwendung sieht, die ohne bestimmten Adressaten nur der Zweckerfüllung dient. Um das Institut deutlicher zu charakterisieren, würde es besser als Zweckauflage statt als Zweckzuwendung bezeichnet.
Rz. 4
Der Sinn der durch § 8 ErbStG angeordneten Regelung ist es, die Entlastungswirkungen bei der steuerpflichtigen Zuwendung zu neutralisieren. Ist eine Zuwendung nämlich mit der Auflage verbunden, den Erwerb oder einen Teil des Erwerbs zu Gunsten eines bestimmten, mit den eigenen Interessen des Erwerbers nicht identischen Zwecks zu verwenden, ist die steuerpflichtige Bereicherung des Erwerbers insoweit gemindert, als ihm die Zuwendung in Höhe des zur Zweckerfüllung erforderlichen Betrages nicht zugutekommt. Der Erwerber braucht den eigenen Erwerb nur abzüglich des zur Erfüllung der Zweckauflage erforderlichen Betrages zu versteuern (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG). Damit dieser bei der Besteuerung der Zuwendung nicht erfasste Betrag aber im Ergebnis nicht unversteuert bleibt, wird er durch § 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 8 ErbStG der Besteuerung als Zweckzuwendung unterworfen. §§ 1 Abs. 1 Nr. 3, 8 ErbStG dienen damit der gesetzgeberischen Intention, Besteuerungslücken in den Fällen zu schließen, in denen das einem Empfänger zugewendete Vermögen keiner dritten Person unmittelbar zugutekommt und damit eigentlich einer Besteuerung mangels Bereicherung entzogen wäre.
Rz. 5
Der steuerliche Begriff der Zweckzuwendung setzt die Erfüllung verschiedener Merkmale voraus, deren Erfordernis sich mehr aus dem Sinn als aus dem Wortlaut des § 8 ErbStG ergibt. Liegen die Voraussetzungen vor, wird die an sich nicht rechtsfähige Vermögensmasse, d.h. das Zweckvermögen selbst, steuerrechtlich verselbständigt und als solche besteuert.
Rz. 6
Im Ergebnis konkretisiert § 8 ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, wonach Zweckzuwendungen der Erbschaftsteuer unterliegen. Aus dem systematischen Zusammenhang ergibt sich, dass die Vorschrift gegenüber den Besteuerungstatbeständen der §§ 3 und 7 ErbStG subsidiär ist und daher nur greifen kann, wenn keiner der anderen Tatbestände erfüllt ist.
Rz. 7– 10
Einstweilen frei.
B. Zweckzuwendung und Stiftung
I. Unselbständige (nichtrechtsfähige) Stiftung
Rz. 11
Eine unselbständige Stiftung und ein anderes Zweckvermögen, das durch eine Zweckzuwendung entstanden ist, dienen dazu, einen bestimmten Zweck zu verfolgen (vgl. im Einzelnen § 1 ErbStG Rz. 28 f.). Sie unterscheiden sich vor allem durch ein zeitliches Moment: Die unselbständige Stiftung ist ein Zweckvermögen, das einem bestimmten Zweck auf Dauer gewidmet ist, wobei Dauer nicht ewig bedeutet, sondern längere Zeit. Die Zweckzuwendung muss hingegen zum sofortigen oder kurzfristigen Verbrauch bestimmt sein. Denn sind die Kriterien einer unselbständigen Stiftung erfüllt, kann wegen der Subsidiarität des § 8 ErbStG gegenüber § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG keine Zweckzuwendung vorliegen. Diese Differenzierung hat durchaus praktische Bedeutung: Ein Verwandtschaftsverhältnis kann sich nur dann auf die Steuerklasse auswirken, wenn es sich um eine Stiftung handelt (§ 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG); eine Zweckzuwendung wird ohne Rücksich...