Daniel Käshammer, Dr. Andreas Bolik
Bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern kann ein Zufluss von Vermögensvorteilen auch ohne Zahlung oder Gutschrift bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit vorliegen (sog. Zuflussfiktion). Laut BFH hat es ein beherrschender Gesellschafter regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist. Die Fälligkeit des Anspruchs tritt grundsätzlich erst mit Feststellung des Jahresabschlusses ein, soweit nichts Abweichendes zivilrechtlich wirksam und fremdüblich im Anstellungsvertrag vereinbart wurde. Dabei könne laut BFH auch ein Pflichtenverstoß gegen die GoB die Fälligkeit einer im Jahresabschluss nicht enthaltenen Forderung nicht begründen. Insoweit sei auch der Grund für die fehlende Passivierung ohne Bedeutung (BFH, Urteil v. 5.6.2024, VI R 20/22, BFH/NV 2024 S. 1090). In diesem Punkt widerspricht der BFH dem BMF. Laut BMF ist eine gewinnmindernde Auswirkung, z.B. durch Bildung einer Verbindlichkeit, für die Anwendung der sog. Zuflussfiktion unerheblich, sofern eine solche Verbindlichkeit nach den GoB hätte gebildet werden müssen (vgl. BMF, Schreiben v. 12.5.2014, BStBl 2014 I S. 860).
Im konkreten Fall sollte der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH neben seinem monatlichen Gehalt Tantiemen erhalten. Diese wurden weder ausgezahlt noch wurden entsprechende Passivposten in den Jahresabschlüssen der GmbH gebildet. Der BFH verneinte mangels Passivierung der Verbindlichkeit die Fälligkeit der Tantiemeforderungen, unabhängig davon, ob die dahingehenden Verbindlichkeiten nach den GoB hätten passiviert werden müssen.
Der BFH wies den Fall dennoch an die Vorinstanz zurück. Das FG habe nicht hinreichend geprüft, ob dem Gesellschafter-Geschäftsführer die Forderungswerte der Tantiemeansprüche zugeflossen sind, weil er durch einen Verzicht auf seine Tantiemeansprüche eine verdeckte Einlage in die GmbH erbracht hat. Das FG habe zu prüfen, ob die fehlende Auszahlung und Passivierung der Verbindlichkeiten durch die GmbH auf einer einvernehmlichen Aufhebung der Tantiemezusage vor Entstehung der Ansprüche zum jeweiligen Jahresende oder auf einem Verzicht des Klägers auf die bereits entstandenen Ansprüche beruht. Nur in letzterem Fall erbringe der Geschäftsführer insoweit, als seine Forderung im Zeitpunkt des Verzichts werthaltig ist, eine bei ihm zum Zufluss führende verdeckte Einlage in die Kapitalgesellschaft (vgl. insoweit auch BMF, Schreiben v. 12.5.2014).