Leitsatz
§ 42 AO steht der Anwendung des § 34c Abs. 3 EStG jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der den Steuerabzug begehrende unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter einer ausländischen Domizilgesellschaft ausländische Steuern vom Einkommen gezahlt hat, die auf ihm nach § 42 AO zugerechnete Einkünfte der Gesellschaft erhoben wurden.
Normenkette
§ 42 AO , § 34c Abs. 1, Abs. 3, Abs. 6 Sätze 1 und 4 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin zu 1. war eine KG, an der u.a. der in Deutschland wohnhafte Kläger zu 2. als Kommanditist beteiligt war. Weitere Gesellschafter der Klägerin zu 1. waren in den Streitjahren (1988 bis 1990) zwei inzwischen verstorbene Söhne des Klägers zu 2., der eine ebenfalls Kommanditist, der andere Komplementär.
Die in Deutschland ansässige I erteilte 1987 der in London ansässigen F einen Auftrag zur Durchführung von Medienkampagnen in Deutschland. Die F trat dabei als Treuhänderin der in Zürich ansässigen FP auf, an der der Kläger zu 2. mit 33 % des Grundkapitals beteiligt war. Zwischen der FP und der Klägerin zu 1. bestand ein Geschäftsbesorgungsvertrag, durch den Letztere mit der Beschaffung von Informationsmaterial, der Pflege von Geschäftsbeziehungen zu Auftraggebern der FP und der Überwachung der Durchführung von Public-Relations-Maßnahmen in Deutschland betraut wurde.
Das FA ging davon aus, dass es sich sowohl bei der F als auch bei der FP um Briefkastengesellschaften gehandelt habe und der Auftrag der I in Wirklichkeit durch die Klägerin zu 1. angenommen und durchgeführt worden sei. Ferner hatte das FA festgestellt, dass die von der I geleisteten Entgelte zwar zunächst auf einem Konto der FP eingegangen, von dort aber alsbald auf ein Privatkonto des Klägers zu 2. überwiesen worden waren. Es rechnete deshalb in den die Klägerin zu 1. betreffenden Gewinnfeststellungsbescheiden für die Streitjahre die genannten Entgelte in vollem Umfang dem Kläger zu 2. als Vorabgewinne zu. Die genannten Bescheide sind bestandskräftig.
Die schweizerische Finanzverwaltung behandelte die genannten Zahlungen als Ausschüttungen der FP an den Kläger zu 2. und erhob darauf schweizerische Verrechnungssteuer. Diesen Betrag zahlte der Kläger zu 2. in voller Höhe.
Den Antrag des Klägers zu 2., die gezahlte Verrechnungssteuer auf die für die entsprechenden Veranlagungszeiträume festzusetzende ESt anzurechnen, lehnte das FA ebenso ab wie den hilfsweise gestellten Antrag, die Gewinnanteile des Klägers zu 2. an der Klägerin zu 1. um die vorgenannten Steuerbeträge zu mindern. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (EFG 2002, 1421).
Entscheidung
Der BFH gab der Klage hingegen statt.
§ 34c Abs. 3 EStG sei einschlägig und trotz § 34c Abs. 6 EStG anwendbar, weil die betreffenden in Rede stehenden Einkünfte nicht aus dem anderen DBA-Staat, der Schweiz, sondern aus einem Drittstaat "stammten".
Vor diesem Hintergrund komme es darauf an, ob es schade, dass es infolge der gestaltungsmissbräuchlichen Zwischenschaltung des FP an der für den Steuerabzug grundsätzlich erforderlichen Steuersubjektidentität zwischen demjenigen, der im Ausland besteuert worden sei, und demjenigen, der den Steuerabzug begehre, fehle. Der BFH hat dies verneint. Zum einen gelte es, § 42 Abs. 1 Satz 2 AO zu Ende zu denken und von dem wirtschaftlich angemessenen, nicht von dem rechtsmissbräuchlich verwirklichten auszugehen. Und zum anderen sei die Schweizer Verrechnungssteuer ohnehin eine Art KapESt für Rechnung des inländischen Gesellschafters. Deshalb erübrige sich zugleich eine Anfrage beim VIII. Senat des BFH, der im Urteil vom 24.2.1976, VIII R 155/71 (BStBl II 1977, 265) eine andere Rechtsauffassung vertreten habe.
Hinweis
1. Nach § 34c Abs. 3 EStG ist bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, bei denen eine ausländische Steuer vom Einkommen u.a. deshalb nicht nach § 34c Abs. 1 EStG angerechnet werden kann, weil keine ausländischen Einkünfte vorliegen, die festgesetzte und gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch mehr unterliegende ausländische Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte abzuziehen, soweit sie auf Einkünfte entfällt, die der deutschen ESt unterliegen. Es gilt, dadurch einer Doppelbesteuerung jedenfalls entgegenzuwirken.
§ 34c Abs. 6 Satz 1 EStG bestimmt zwar, dass Abs. 3 nicht anzuwenden ist, wenn die Einkünfte aus einem ausländischen Staat stammen, mit dem DBA besteht. Allerdings: Die betreffenden Einkünfte müssen eben aus dem anderen DBA-Staat "stammen"; Einkünfte aus Drittstaaten sind der Einschränkung nicht unterworfen. (vgl. BFH, Urteil vom 24.3.1998, I R 38/97, BStBl II 1998, 471). Das wird zwischenzeitlich in § 34c Abs. 6 Satz 5 Halbsatz 1 EStG nochmals explizit aufgegriffen.
2. Streitig ist vor diesem Regelungshintergrund, ob der Steuerabzug versagt werden kann, wenn die Besteuerung im anderen DBA-Vertragsstaat ihren Grund in einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung hat, m.a.W, wenn dort ein Steuersubjekt der Steuer unterworfen wird, das wegen einer solchen Gestaltung steuerlich zu ignorieren ist (§ 42 Abs. 1 Satz 2 AO). Streng genommen fehlt dan...