Leitsatz
1. Liegt eine Rechnung mit Steuerausweis vor, ist nicht zu entscheiden, ob die in der Rechnung ausgewiesene Steuer die gesetzlich entstandene Steuer übersteigt, wenn im Übrigen die Voraussetzungen des § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG vorliegen.
2. Die Lieferung von Geräten, die der Unternehmer lediglich für Umsätze nach § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG verwendet hat, unterliegt nicht der Durchschnittssatzbesteuerung (Aufgabe des Senatsurteils vom 10.11.1994 – V R 87/93, BFHE 176, 477, BStBl II 1995, 218 und wie Abschn. 24.2 Abs. 6 Satz 2 UStAE).
3. Entgegen Abschn. 24.2 Abs. 6 Satz 3 UStAE führt es nicht zu einer Verwaltungsvereinfachung, die Lieferung von Gegenständen, die nicht § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG unterliegt, als dieser Vorschrift unterliegend zu behandeln.
Normenkette
§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 3, § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG, Art. 295 Abs. 1 Nr. 4, Anh. VII EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GbR, übertrug im Rahmen einer Realteilung landwirtschaftliche Geräte auf einen ihrer Gesellschafter gegen Aufgabe von Gesellschaftsrechten. Sie betrachtete ihre Leistung als § 24 Abs. 1 UStG unterliegend, erteilte für die Übertragung eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis und ging davon aus, dass sie in Höhe der von ihr ausgewiesenen Steuer auch zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Demgegenüber sah das FA in dem Vorgang eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung, sodass eine Rechnung i.S.v. § 14c Abs. 1 UStG vorliege, ohne dass sich für die Klägerin ein Recht auf Vorsteuerabzug ergebe, und setzte USt in entsprechender Höhe fest. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das FG der Klage statt, da nicht die Klägerin, sondern ihre Gesellschafter als Rechnungsaussteller anzusehen seien (Niedersächsisches FG, Urteil vom 26.7.2019, 5 K 71/19, Haufe-Index 14677900, EFG 2021, 1509).
Entscheidung
Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und wies die Klage ab. Entgegen dem Urteil des FG komme es aufgrund des Vorliegens einer Rechnung mit Steuerausweis, die als von der Klägerin ausgestellt zu betrachten sei, auf die Frage, ob eine Steuerschuld nach materiellem Recht bestehe, nicht an, da jedenfalls eine Steuerschuld nach § 14c UStG vorliege. Die Anwendung von § 24 Abs. 1 UStG lehnte der BFH ab. Da die noch nicht festgesetzte Mehrsteuer, die sich aus der Anwendung von § 12 Abs. 1 UStG ergebe, einen möglichen Berichtigungsbetrag nach § 15a UStG überstieg, kam eine Zurückverweisung nicht in Betracht.
Hinweis
1. Der BFH hat in seiner bisherigen Rechtsprechung die Lieferung landwirtschaftlicher Geräte, die ein Land- oder Forstwirt für § 24 Abs. 1 UStG unterliegende Umsätze verwendet hat, als gleichfalls dieser Vorschrift unterliegend betrachtet, was für den veräußernden Land- oder Forstwirt zum Vorteil eines betragsgleichen Vorsteuerabzugs führte.
2. Diese Rechtsprechung war im Hinblick auf die richtlinienkonforme Auslegung von § 24 Abs. 1 UStG entsprechend Art. 295 ff. MwStSystRL, die eine Anwendung der Sonderregelung für Land- und Forstwirte auf derartige Lieferungen nicht vorsieht, fragwürdig geworden.
3. Dementsprechend verneint der BFH nunmehr unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung die Anwendung von § 24 Abs. 1 UStG auf derartige Lieferungen. Eine hierfür von der Finanzverwaltung vorgesehene Vereinfachungsregelung sieht der BFH als nicht zutreffend an. Folge der geänderten Beurteilung ist, dass die Lieferung nunmehr im Regelbesteuerungsverfahren zu versteuern ist und es hierdurch unter den Voraussetzungen des § 15a UStG zu einer Vorsteuerberichtigung zugunsten des Land- oder Forstwirts kommen kann.
4. Ergänzend ergibt sich aus dem Besprechungsurteil auch, dass bei Vorliegen einer Rechnung, die die Merkmale des § 14c Abs. 1 UStG erfüllt, im Umfang der dort ausgewiesenen Steuer nicht mehr über die Frage der gesetzlichen Entstehung dieser Steuer zu entscheiden ist.
5. Im Übrigen folgt aus dem Urteil, dass eine Personengesellschaft auch in Bezug auf Rechnungen, die sie im Rahmen einer Realteilung ausstellt, Steuerschuldner nach § 14c UStG sein kann und gegen die (aus ihrer Sicht unzutreffende) Annahme einer derartigen Steuerschuld durch das FA klagebefugt ist. Ihre Vollbeendigung aufgrund der Realteilung steht dem nicht entgegen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.8.2023 – V R 3/21