Leitsatz
1. Zu den (anderen) Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sein können, gehören auch virtuelle Währungen in der Gestalt von Currency Token. Diese werden i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG angeschafft, wenn sie im Tausch gegen Euro, gegen eine Fremdwährung oder gegen andere virtuelle Währungen erworben werden; sie werden veräußert im Sinne der Vorschrift, wenn sie in Euro oder gegen eine Fremdwährung zurückgetauscht oder in andere Currency Token umgetauscht werden.
2. Bei der Erfassung und Besteuerung von Veräußerungsgeschäften mit Currency Token lag im Jahr 2017 kein normatives Vollzugsdefizit vor.
Normenkette
§ 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 39 AO
Sachverhalt
Der Kläger verfügte Anfang 2017 über 24,75825 BTC. Diese tauschte er zunächst in ETH und jene dann in XMR. Die XMR tauschte der Kläger zum großen Teil in BTC zurück und veräußerte die BTC gegen Ende des Jahres. Insgesamt erzielte er aus diesen Vorgängen im Streitjahr nach eigenen Berechnungen einen Gesamtgewinn von 3,44 Mio. EUR. Das FA unterwarf die Gewinne erklärungsgemäß der Besteuerung und wies den Einspruch zurück. Das FG hat der Klage nur insoweit stattgegeben, als sich bei der ersten Transaktion (BTC – ETH) nicht feststellen ließ, dass die BTC innerhalb der Jahresfrist angeschafft und veräußert worden waren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (FG Köln, Urteil vom 25.11.2021, 14 K 1178/20, Haufe-Index 15099654).
Entscheidung
Auch die Revision des Klägers war erfolglos. Der BFH bejaht die Wirtschaftsguteigenschaft von BTC, ETH und XMR sowie die persönliche Zurechnung zum Inhaber des "Private Key". Danach erfüllen sowohl der Tausch von Currency Token untereinander als auch die "Veräußerung" gegen Geld den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts. Ein strukturelles Vollzugsdefizit erkennt der BFH jedenfalls im Streitjahr nicht.
Hinweis
1. Der Begriff des Wirtschaftsguts ist weit zu fassen und auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen. Er umfasst nicht nur Sachen und Rechte, sondern auch Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile, die nach der Verkehrsanschauung einer Bewertung zugänglich sind, die sich der Kaufmann etwas kosten lässt, die in der Regel einen Nutzen für mehrere Jahre erbringen und zumindest mit dem Betrieb übertragen werden können.
a) Danach kann auch eine zivilrechtlich nicht oder nur beschränkt übertragbare Position als Wirtschaftsgut anzusehen sein, wenn die Rechtspraxis Wege gefunden hat, den kommerzialisierbaren Teil der Position entgeltlich zu überlassen und wirtschaftlich zu verwerten. Der Nutzen, der nach der Definition erforderlich ist, bestimmt sich dann nicht durch die Position selbst, sondern durch ihre Marktgängigkeit im Sinne einer Chance oder Möglichkeit, die sich der Kaufmann etwas kosten lässt.
b) Zu den Wirtschaftsgütern zählen danach auch solche objektiv werthaltigen Positionen, bei deren Übertragung es auf dinglicher Ebene an einem Rechtsgeschäft fehlen könnte, sofern ihnen im Geschäftsverkehr ein selbstständiger Wert beigelegt wird und sie verkehrsfähig sind. Insofern ist maßgeblich auf die Verkehrsanschauung der an diesen Geschäften beteiligten Kreise abzustellen.
c) Die Currency Token BTC, ETH und XMR sind digitale Vermögenswerte. BTC ist als Kette digitaler Signaturen definiert; ETH ist eine auf der Blockchain-Technologie aufbauende Plattform für elektronische Verträge und dezentrale Anwendungen, welche die interne Zahlungseinheit ETH als Zahlungsmittel für Transaktionsverarbeitungen nutzt. XMR ist eine auf ETH aufbauende digitale Münze, die auf die Anonymität der Nutzer wie auch der Transaktionen setzt (uneinsehbare Blockchain).
d) BTC, ETH und XMR sind – wirtschaftlich betrachtet – als "Zahlungsmittel" anzusehen, die für direkt zwischen den Beteiligten abzuwickelnde "Bezahlvorgänge" Verwendung finden können. Sie sind – obwohl kein Geld – einzeln übertragbar oder tauschbar. Sie sind teilbar und werden auf speziellen Handelsplattformen gehandelt und verfügen über jederzeit abrufbare Kurse. Der dort ermittelte "Wert" belegt dessen Realisierbarkeit.
e) Es handelt sich bei BTC, ETH und XMR mithin um objektiv werthaltige, "selbstständig bewertbare" Positionen im Sinne einer Chance oder Möglichkeit. Das gilt jedenfalls, soweit sie der Kläger aus seinem Token-Portfolio herausgelöst und in handelbare Einheiten "verselbstständigt" hatte.
f) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Token keinen "intrinsischen" Nutzen aufweisen. Diese Ansicht verkennt, dass sie für den Inhaber einen wirtschaftlich ausnutzbaren Vermögensvorteil darstellen.
g) Auch der Einwand, die durch die Token vermittelte Position wäre rechtlich nicht durchsetzbar, zwingt nicht zu dem Schluss, dass es deshalb an einer werthaltigen Position fehle. Spekulationen finden zudem oft auf unregulierten "Zweitmärkten" statt.
h) Die Token weisen auch die erforderliche Verkehrsfähigkeit auf. Es genügt insofern, dass der Rechtsverkeh...