Sachverhalt
Bei dem Verfahren ging es um eine Lehreinrichtung (A), die einen bei ihr angestellten Lehrer zeitweilig an eine andere Lehreinrichtung (B) überlassen hatte. Für jede Überlassung war zwischen A, dem Lehrer und B eine Entsendevereinbarung getroffen worden. Diese regelte, dass B dem Lehrer die Arbeitsaufträge erteilte. B war während der Dauer der Überlassung für die gesetzliche Haftpflichtversicherung des Lehrers verantwortlich. Sein Gehalt bezog der Lehrer weiterhin von A. B erstattete A - ohne Aufschlag - die Gehaltskosten. Die niederländische Finanzbehörde hatte diese Überlassung als umsatzsteuerpflichtig behandelt, weil nach ihrer Ansicht die Überlassung nicht unter die Steuerbefreiung gemäß Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-Richtlinie (ab 1.1.2007: Artikel 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL) für "die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- und Hochschulunterricht, die Aus- und Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" fiel.
Das Vorlagegericht fragte den EuGH, ob
- die Personalgestellung als Erteilung von Unterricht im Sinne von Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-Richtlinie angesehen werden kann,
- es sich - bei Verneinung der 1. Frage - bei der Personalgestellung ggf. um eine eng verbundene Dienstleistung im Sinne der Vorschrift handeln könnte und
- ob es für die Beantwortung der Fragen 1. und 2. einen Unterschied macht, ob die Einrichtung, die den Lehrer überlässt, selbst eine Lehreinrichtung ist.
Entscheidung
Die 1. Frage hat der EuGH verneint. Dem gehen zunächst die stereotypischen Wendungen des EuGH voraus, dass die Steuerbefreiungen nach Artikel 13 der 6. EG-Richtlinie eng auszulegen sind. Die Vorschrift enthalte autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen. Allerdings müsse die Auslegung dieser Begriffe jedoch mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruhe. Daher bedeute die Regel einer engen Auslegung nicht, dass sie den Befreiungen ihre Wirkung nehmen könne. Zwar sei die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten vom Unterrichtenden an die Studierenden ein besonders wichtiger Bestandteil der Unterrichtstätigkeit. Dies reiche aber allein nicht aus, um es bereits als Unterrichtstätigkeit anzusehen, wenn ein Lehrer einer Lehreinrichtung zur Verfügung gestellt wird, um unter der Verantwortung dieser Einrichtung Unterricht zu erteilen.
Der EuGH definiert in diesem Zusammenhang den Begriff der Unterrichtstätigkeit, der in der Richtlinie selbst, wie der EuGH konstatiert, offen bleibt. Eine solche Tätigkeit besteht für den EuGH aus einer Gesamtheit von Elementen, zu denen neben denjenigen, die die zwischen den Unterrichtenden und den Studierenden zustande kommenden Beziehungen betreffen, gleichzeitig auch diejenigen gehören, die den organisatorischen Rahmen der betreffenden Einrichtung ausmachen. Unter diesen Umständen war die Überlassung der Lehrkraft keine Unterrichtstätigkeit. Der Umstand, dass die überlassende Einrichtung selbst eine Lehreinrichtung ist, ändert daran nichts.
Die 2. Frage bejaht der EuGH in dem Sinne, dass die Überlassung einer Lehrkraft nach den Umständen des Einzelfalls eine mit der Unterrichtstätigkeit eng verbundene und damit ebenfalls steuerfreie Dienstleistung sein kann. Die Urteilsgründe enthalten teils neue, aber auch widersprüchliche Erkenntnisse darüber, wann ein "eng verbundener Umsatz" vorliegen kann.
Zunächst wiederholt der EuGH frühere Rechtsprechung, wonach eng verbundene Umsätze vorliegen können, wenn sie tatsächlich als Nebenleistung zu einer steuerbegünstigten Hauptleistung erbracht werden. Es muss eine Verbindung zu einer Hauptleistung bestehen, neben der in den Steuerbefreiungen nach Artikel 13 Teil A auch "eng verbundene" Umsätze begünstigt sind (vgl. EuGH, Urteil vom 11.1.2001, C-76/99 (Kommission/Frankreich). Eine Leistung kann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung angesehen werden, wenn sie keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung unter den bestmöglichen Bedingungen zu erhalten (vgl. EuGH, Urteil vom 22.10.1998, C-308/96 und C-94/97 (Madgett und Baldwin).
Diese Rechtsprechung des EuGH zu Haupt- und Nebenleistungen in dem hier streitigen Kontext, ob ein eng verbundener Umsatz vorliegt, kann nicht im Sinne von Abschnitt 29 UStR verstanden werden, dass eine Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teilt. Denn wenn "eng verbundene Umsätze" Nebenleistungen in diesem Sinne wären, wäre ihre besondere Erwähnung in Artikel 13 Teil A der 6. EG-Richtlinie nicht er...