Anmerkung zum EuGH-Urt. v. 21.10.2021 – C-373/19, Dubrovin & Tröger GbR Aquatics
[Ohne Titel]
RA StB Bertrand Monfort
1. Ausgangssachverhalt und Entscheidung des EuGH
Das besprochene Urteil betrifft die Steuerbefreiung von Bildungsleistungen. Die Entscheidung des EuGH ist eher beunruhigend als überraschend. Der EuGH setzt seinen 2019 eingelegten harten Kurs fort, weshalb das Urteil nicht zu überraschen vermag. Dennoch wird das Eis immer dünner. Eine drastische Einschränkung der Steuerbefreiung von Bildungsleistungen nach § 4 Nr. 21 und Nr. 22a UStG scheint in naher Zukunft immer wahrscheinlicher zu werden.
Im Ausgangsverfahren ging es um den Betreiber einer Schwimmschule. Kurse wurden im Wesentlichen für Kinder angeboten. Der Kläger behandelte seine Umsätze als steuerfrei, während das Finanzamt eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG verneinte. Auf Vorlage des BFH hatte der EuGH u.a. zu prüfen, ob der Schwimmunterricht unter den Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL fallen kann.
Schwimmunterricht einer Schwimmschule nicht erfasst: Nach der Entscheidung des EuGH ist der Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL dahin auszulegen, dass er nicht den von einer Schwimmschule erteilten Schwimmunterricht umfasst. Damit widerspricht der EuGH dem früheren Urteil des BFH aus dem Jahr 2014, in dem der BFH den Schwimmunterricht als steuerfrei ansah. Die Begründung des neuen besprochenen Urteils beruht auf der Kehrtwende des EuGH im Jahr 2019 infolge seines "Fahrschul-Urteils".
2. EuGH-Rechtsprechung wird restriktiver
Vormals breitere Definition des steuerfreien Unterrichts: Nach vorheriger EuGH-Rechtsprechung war steuerfreier Unterricht breiter definiert und konnte leichter angenommen werden. Der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts schloss einfach alle Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wurde, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studierenden zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hatten. Die Großzügigkeit der damaligen Rechtsprechung zeigte sich u.a. dadurch, dass der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache Haderer aus dem Jahr 2007 selbst bei einem Keramik- und Töpferkurs in der Erwachsenenbildung (einem nicht gerade klassischen Schulfach) die Steuerbefreiung für möglich hielt. Noch im Jahr 2017 machte die Rechtsprechung den Eindruck, der Begriff des Unterrichts bliebe breit definiert, denn der EuGH entschied in der Rechtssache Brockenhurst College, dass entgeltliche Restaurant- und Unterhaltungsdienstleistungen einer Bildungseinrichtung über Gastronomie, Gastgewerbe und darstellende Künste als mit der Unterrichtsleistung "eng verbunden" angesehen und folglich von der Mehrwertsteuer befreit werden können (unter hier irrelevanten weiteren Bedingungen). Zwar beruhte das Urteil auf einer speziellen Befreiung für eng verbundene Umsätze, die gerade isoliert betrachtet keine Unterrichtsleistungen sind, aber der EuGH störte sich damals nicht an dem spezialisierten Charakter der angebotenen Lehrgänge.
3. Die Kehrtwende erfolgte mit dem "Fahrschul-Urteil"
Erhebliche Einschränkung der Rechtsprechung seit 2019: Mit seinem "Fahrschul-Urteil" aus dem Jahr 2019 schränkte der EuGH seine bisherige Rechtsprechung erheblich ein. Wie vom Generalanwalt ausgeführt, wollte der Unionsgesetzgeber, mit dem Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts auf einen bestimmten Typus von Unterrichtssystem abstellen, der allen Mitgliedstaaten unabhängig von den jeweiligen Besonderheiten der nationalen Systeme gemeinsam ist (Rz. 25 des Urteils in der Rechtssache A&G Fahrschul-Akademie GmbH). Für die Zwecke der Mehrwertsteuerregelung verlangt der EuGH nun "ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen" sowie "die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler und Studenten je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf den verschiedenen dieses System bildenden Stufen" (Rz. 26 des Urteils in der Rechtssache A&G Fahrschul-Akademie GmbH). Seit diesem Urteil sind für die Steuerbefreiung einer Unterrichtsleist...