Leitsatz
Die Beurteilung des einem Arbeitnehmer geleisteten Ersatzes für entgangene oder entgehende Einnahmen als Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1 und 2 EStG setzt voraus, dass das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis beendet wird.
Normenkette
§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG , § 34 Abs. 1 und 2 EStG , § 613a BGB
Sachverhalt
Der Kläger war bis zum 31.12.1996 bei der D-GmbH im Werk S beschäftigt. Seit 1.1.1997 ist er bei der P-GmbH angestellt, auf die das Werk S der D-GmbH übertragen worden ist. Die Arbeitsverhältnisse waren gem. § 613 BGB auf die P-GmbH übergeleitet worden.
In einem "Interessenausgleich" zwischen der Geschäftsführung und dem Gesamtbetriebsrat der D-GmbH war geregelt, dass Mitarbeitern, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen würden, aus betriebsbedingten Gründen gekündigt werden sollte. Für Mitarbeiter, die nicht widersprächen, stellte die D-GmbH der P-GmbH pro Mitarbeiter einen Betrag von 10 000 DM zur Verfügung. Auf der Grundlage weiterer Vereinbarungen (u.a. einer Arbeitszeitverkürzung ohne Lohn- und Gehaltsausgleich) hatte die D-GmbH eine durchschnittliche Einkommensminderung der Mitarbeiter von 10 190 DM im Jahr 1997, 10 490 DM im Jahr 1998 und 10 810 DM im Jahr 1999 errechnet.
Der Kläger, der dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zugestimmt hatte, erklärte den Betrag von 10 000 DM als ermäßigt zu besteuernde Entschädigung. Das FA versagte die Steuerbegünstigung und rechnete den Betrag den laufenden Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit zu.
Das FG gab der Klage statt; es qualifizierte die 10 000 DM als begünstigte Entschädigung.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Voraussetzung für eine steuerbegünstigte Entschädigung sei die Beendigung des zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses. Eine Abfindung dürfe sich nicht als Erfüllung einer Leistung im Rahmen des bisherigen Arbeitsverhältnisses darstellen.
Durch den Eintritt des neuen Arbeitgebers in bestehendes Arbeitsverhältnis mit dem Kläger sei dieses nicht beendet worden. Die Zahlung der 10 000 DM bedeute daher keinen Ersatz für eine dem Kläger zustehende Leistung, sondern die Leistung selbst.
Das FG müsse aber noch prüfen, ob eine Verteilung der Abfindungsleistung nach § 34 Abs. 3 EStG in Frage kommt.
Hinweis
1. Der BFH bleibt – trotz der Kritik von Offerhaus und der abweichenden Entscheidung des Thüringer FG (EFG 1999, 171), auf die sich die Vorinstanz im Streitfall berufen hatte – bei seiner bisherigen Auffassung, dass eine Abfindungsleistung dann keine steuerbegünstigte Entschädigung ist, wenn unter Fortsetzung der Einkünfteerzielung im Rahmen des bisherigen Arbeitsverhältnisses ein bestehender Anspruch durch den Arbeitgeber abgegolten wird. Dabei kann der Anspruch sowohl auf einer Vertragsänderung als auch auf einem vertragsrechtlichen Schadenersatzanspruch beruhen.
2. Der BFH beruft sich dafür auf eine Reihe früherer Entscheidungen, die alle erkennen lassen, dass Ereignisse, die den Einkunftserzielungstatbestand nicht in seinem Bestand berühren, nicht zu einer Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG führen können.
Das hat zur Folge, dass in allen Fällen, in denen einem Arbeitnehmer ohne Beendigung seines Arbeitsverhältnisses entgangene oder entgehende Einnahmen durch den Arbeitgeber ersetzt werden, nur eine Modifikation des bestehenden Arbeitsverhältnisses vorliegt, die die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes nicht rechtfertigen kann.
3.Problematisch dürfte der bisher noch nicht entschiedene Fall sein, dass ein Arbeitnehmer aus betrieblich bedingten Gründen gezwungen ist, auf ein Teilzeitarbeitsverhältnis bei demselben Arbeitgeber überzugehen und für die künftigen Einnahmeverluste eine einmalige Abfindungszahlung erhält. Entscheidend wird insoweit sein, ob das Teilzeitarbeitsverhältnis als neues Arbeitsverhältnis oder als eine Modifikation des alten Arbeitsverhältnisses anzusehen ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.10.2001, XI R 54/00