Die Anzahl der Unternehmens- und Verbraucherinsolvenzen in den letzten Jahren ist relativ konstant. Mit 19.900 Unternehmensinsolvenzen wurde 2018 der niedrigste Wert seit 1994 (18.820 Fälle) registriert. 12,45 % aller insolventen Unternehmen 2018 firmierten als Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt. Fast 40 % der Insolvenzen entfielen 2018 auf die GmbH.
2019 meldeten 19.005 Unternehmen bundesweit eine Insolvenz an. Die COVID-19-Pandemie in 2020 wird wohl zu einem enormen Anstieg von Unternehmensinsolvenzen führen (ca. 15 % mehr in 2020 als in 2019), Von einem weiteren Anstieg in 2021 ist lt. CRIF Bürgel GmbH auszugehen.
Steuerberater "müssen" also auch immer häufiger Mandanten beraten, die sich in einer wirtschaftlichen Schieflage befinden bzw. in eine solche geraten.
Als Berater von Schuldnern, insbesondere von Kapitalgesellschaften, sind sie zahlreichen Rechtsrisiken ausgesetzt. Das Geschäftsfeld eines Krisen- und Insolvenzberaters lockt zwar wegen der Vergütung. Es muss aber beachtet werden, dass die steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung im Vordergrund steht und Rechtsberatung nur in dem Umfang erteilt werden darf, in der sie für die zulässige Beratung unerlässlich ist.
Eine rechtzeitige Insolvenz kann durchaus auch die Chance für eine weitere unternehmerische Tätigkeit sein. Bereits bei der Unternehmensgründung sollte der Berater das Risiko einer Insolvenz im Auge haben; dann kann er das private Vermögen des künftigen Unternehmers in den meisten Fällen – auf legale Weise – vor dem Zugriff der Gläubiger schützen.
Der Hinweis auf die besonderen Pflichten des GmbH-Geschäftsführers in der Krise unterbleibt oft bzw. letzterer kennt seine Pflichten überhaupt nicht. Die Rechtsprechung zu den Beratungspflichten des Steuerberaters gegenüber dem GmbH-Geschäftsführer ist in den letzten Jahren verschärft worden. Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater ist verpflichtet zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Hingegen ist er nicht verpflichtet, von sich aus eine Fortführungsprognose zu erstellen und die hierfür erheblichen Tatsachen zu ermitteln. Eine Haftung des Steuerberaters setzt voraus, dass der Jahresabschluss angesichts einer bestehenden Insolvenzreife der Gesellschaft objektiv zu Unrecht von Fortführungswerten ausgeht. Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater muss die Mandantin auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist.
Tritt der Steuerberater bei einem rein steuerrechtlichen Mandat in konkrete Erörterungen über eine etwaige Insolvenzreife der von ihm beratenen Gesellschaft ein, ohne die Frage nach dem Insolvenzgrund zu beantworten, hat er das Vertretungsorgan darauf hinzuweisen, dass eine verbindliche Klärung nur erreicht werden kann, indem ihm oder einem fachlich geeigneten Dritten ein entsprechender Prüfauftrag erteilt wird.
Erklärt der vertraglich lediglich mit der Erstellung der Steuerbilanz betraute Steuerberater, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorliege, haftet er der Gesellschaft wegen der Folgen der dadurch bedingten verspäteten Insolvenzantragstellung. Das LG Düsseldorf ist der Auffassung, dass die Grundsätze über die Bilanzierung nach Fortführungswerten, die der BGH in seinem Urteil v. 26.1.2017 für Steuerberater aufgestellt hat, als Mindestvoraussetzungen auch auf die Tätigkeit des Abschlussprüfers zu übertragen sind. Was für die Steuerberater gilt, gilt für den Abschlussprüfer umso mehr, weil er gem. § 322 Abs. 2 HGB im Bestätigungsvermerk sogar auf Risiken für den Fortbestand des Unternehmens eingehen muss.
Ein Steuerberater, der mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragt ist, muss einen Vermögensstatus im Sinne einer Überschuldungsbilanz nur auf gesonderten Auftrag erstellen. Kraft seines überlegenen Wissens trifft ihn allerdings die Nebenpflicht, seinen Mandanten auf eine drohende Insolvenz und damit erforderliche Prüfungen hinzuweisen. Die Erforderlichkeit, bei fehlender positiver Fortführungsprognose, den Jahresabschluss ggf. nach Liquidationswerten zu erstellen, bleibt hiervon unberührt. Der Hinweispflicht der Steuerberater, wenn er unmissverständlich die – zunächst bilanzielle – Überschuldung feststellt und seinen Mandanten auf die gesetzliche Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrags hinweist. Entscheidet sich der Mandant gleichwohl zur Fortführung seines Unternehmens, ist der Steuerberater zu weiteren Maßnahmen nicht verpflichtet, insbesondere nicht dazu, den Mandanten an dessen Tätigkeit zu hindern, oder dazu, seine Tätigkeit für den ...