Zusammenfassung
In der Praxis zeigt sich oft, dass die Gefahren, die eine Insolvenzverschleppung beinhaltet, vom Berater und von den Unternehmern verkannt und nicht ernst genug genommen werden.
Unabhängig davon, ob der Steuerberater als Sanierungs- oder Krisenberater tätig sein will, bzw. dieses Betätigungsfeld bewusst erweitern möchte, erläutert dieser Beitrag wichtige Begriffe, Risiken und Möglichkeiten, die jeder Steuerberater kennen sollte, um zumindest dem betroffenen Mandanten zu ermöglichen, die für ihn richtige Entscheidung zu treffen bzw. Risiken der Haftung zu minimieren.
Keineswegs erspart die Lektüre des Beitrags dem Steuerberater im konkreten Fall, das Thema zu vertiefen bzw. sich über neue Urteile zu informieren. Die ständige Kooperation mit einem Rechtsanwalt – Fachanwalt für Insolvenzrecht – ist eine sinnvolle Möglichkeit, die Risiken zu minimieren. U. U. bietet sich die Fortbildung zum "Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung (DStV e. V.)" an.
Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts vom 22.12.2020 (BGBl 2020 I S. 3256) wurde ab 1.1.2021 neben Änderungen der InsO (z. B. 6-Wochen-Frist gem. § 15a Abs. 1 InsO für den Insolvenzantrag aufgrund von Überschuldung) auch ein Rechtsrahmen für Restrukturierungen eingeführt, mit dem Insolvenzen abgewendet werden können. § 64 GmbHG wurde aufgehoben. Die Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ist in den §§ 15a und 15b InsO geregelt. Die Rechtsprechung zu § 64 GmbHG a. F. gilt weiter.
Das am 1.1.2021 in Kraft getretenen Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG, BGBl 2020 I S. 3256, zuletzt geändert durch G. v. 15.7.2024, BGBl 2024 I S. 236) ist ein eigenständiger "Baustein" für die präventive Sanierung von Unternehmen. Das Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG, das nur dann durchgeführt werden kann, wenn der Rechtsträger (lediglich) drohend zahlungsunfähig gem. § 18 InsO ist, dient dem Zweck der Sanierung des Rechtsträgers.
§ 102 StaRUG normiert ausdrücklich eine Hinweis- und Warnpflicht bei der Erstellung von Jahresabschlüssen für einen Mandanten durch einen Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte bezüglich des Vorliegens eines möglichen Insolvenzgrunds nach §§ 17 bis 19 InsO und die sich hieraus ergebenden Pflichten für die Geschäftsführer der Unternehmen.
Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Erfassung aller Aspekte.
1 Grundsätzliches zur Sanierung und Insolvenzverwaltung
Im Jahr 2023 haben in Deutschland 17.814 Unternehmen Insolvenz angemeldet – rd. 3.200 (+ 22,1 %) mehr als in 2022. Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen in Deutschland ist nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) im Oktober 2024 um 22,9 % gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Mit Ausnahme des Juni 2024 (+ 6,3 %) liegt die Zuwachsrate damit seit Juni 2023 im zweistelligen Bereich.
Hohe Energiepreise, aber auch die gestiegenen Zinsen und Lieferengpässe sind u. a. Ursachen für Unternehmensinsolvenzen.
Steuerberater müssen also auch immer häufiger Mandanten beraten, die sich in einer wirtschaftlichen Schieflage befinden bzw. in eine solche geraten.
Als Berater von Schuldnern, insbesondere von Kapitalgesellschaften, sind sie zahlreichen Rechtsrisiken ausgesetzt. Das Geschäftsfeld eines Krisen- und Insolvenzberaters lockt zwar wegen der Vergütung. Es muss aber beachtet werden, dass die steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung im Vordergrund steht und Rechtsberatung nur in dem Umfang erteilt werden darf, in der sie für die zulässige Beratung unerlässlich ist.
Eine rechtzeitige Insolvenz kann durchaus auch die Chance für eine weitere unternehmerische Tätigkeit sein. Bereits bei der Unternehmensgründung sollte der Berater das Risiko einer Insolvenz im Auge haben. Dann kann er das private Vermögen des künftigen Unternehmers in den meisten Fällen – auf legale Weise – vor dem Zugriff der Gläubiger schützen.
Der Hinweis auf die besonderen Pflichten des GmbH-Geschäftsführers in der Krise unterbleibt oft bzw. letzterer kennt seine Pflichten überhaupt nicht. Die Rechtsprechung zu den Beratungspflichten des Steuerberaters und ähnlicher Berufe gegenüber dem GmbH-Geschäftsführer ist in den letzten Jahren verschärft worden und seit dem 1.1.2021 in § 102 StaRUG gesetzlich geregelt. Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater ist verpflichtet zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Hingegen ist er nicht verpflichtet, von sich aus eine Fortführungsprognose zu erstellen und die hierfür erheblichen Tatsachen zu ermitteln. Eine Haftung des Steuerberaters setzt voraus, dass der Jahresabschluss angesichts einer bestehenden Insolvenzreife der Gesellschaft objektiv zu Unrecht von Fortführungswerten ausgeht. Der mit der Erstellung eines Jahresa...