Das Finanzamt darf ohne Vorwarnung Insolvenzantrag stellen
Die Stellung eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners durch die Finanzbehörde ist kein Verwaltungsakt, sondern stellt schlichtes hoheitliches Handeln dar, dessen Überprüfung dem Finanzgericht und nicht dem Insolvenzgericht obliegt. Dem Steuerpflichtigen stehen als Rechtsbehelfe die allgemeine Leistungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) bzw. im vorläufigen Rechtsschutzverfahren der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 114 FGO) zu. Die Stellung eines Insolvenzantrags gegen einen Steuerschuldner seitens des Finanzamts ist eine zulässige und ggf. geeignete Maßnahme, rückständige Steuern vollstrecken zu können. Es ist immer damit zu rechnen, dass die Finanzbehörden von dieser Möglichkeit als "Druckmittel" Gebrauch machen.
Sachverhalt: Bei einem Unternehmer liefen über mehrere Monate beträchtliche Schulden aus betrieblichen Steuern auf, teilweise aufgrund geschätzter Bescheide. Vollstreckungsversuche des Finanzamts verliefen fruchtlos. Ratenzahlungsangebote hielt der Steuerpflichtige nicht ein. Das Finanzamt stellte dann Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht. Die Klage des Steuerpflichtigen gegen das Finanzamt war erfolglos. Begründung des Finanzgerichts:
- Die Insolvenzantragstellung verletzt den Steuerpflichtigen nicht in seinen Rechten.
- Die Stellung eines Insolvenzantrags ist nur dann ermessensfehlerhaft, wenn z. B. die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen oder der Antrag aus sachfremden Gründen erfolgte bzw. der Finanzbeamte rechtsmissbräuchlich handelt.
- Die Zahlungsunfähigkeit nach den Vorschriften der Insolvenzordnung lag vor, da der Steuerpflichtige seit Monaten fällige Steuerschulden nicht entrichtet hatte.
- Die Zahlungsunfähigkeit wurde auch zu Recht seitens des Finanzamts auf ergebnislosen Kontenpfändungen gestützt.
- Der Antrag auf Eröffnung der Insolvenz war verhältnismäßig, da alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft waren und zudem der Steuerpflichtige seine eigenen Ratenzahlungsangebote nicht erfüllte.
- Auch bei Schätzungsbescheiden ist der Insolvenzantrag zulässig, da diese vollziehbare Verwaltungsakte darstellen.
- Der Steuerpflichtige muss vor der Antragstellung nicht gehört werden.
Für die Überprüfung eines Antrags einer Finanzbehörde auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners ist anders als für die Prüfung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Finanzgericht und nicht das Insolvenzgericht zuständig. Der Steuerschuldner hat insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis auf Überprüfung des Insolvenzeröffnungsantrags der Finanzbehörde als Ermessensentscheidung. Ein Ermessensfehlgebrauch der Finanzbehörde kann zur Verpflichtung der Finanzbehörde zur Rücknahme ihres Insolvenzantrags führen.
Stützt das Finanzamt den Insolvenzantrag auf Steuerforderungen, die sich – etwa bei Lohn- und Umsatzsteuer – aus Steueranmeldungen oder Steuervoranmeldungen des Schuldners ergeben, genügt zur Glaubhaftmachung die genaue Aufstellung der einzelnen Steueranmeldungen und Steuervoranmeldungen zusammen mit der Erklärung des Finanzamts, dass es sich dabei um Forderungen aus entsprechenden (Vor-)Anmeldungen des Schuldners handele.