Leitsatz
1. Steuerberatungskosten des Erben für die Nacherklärung von Steuern, die der Erblasser hinterzogen hat, sind als Nachlassregelungskosten abzugsfähig (Abweichung von den gleich lautenden Erlassen der Länder).
2. Kosten für die Haushaltsauflösung und Räumung der Erblasserwohnung können als Nachlassregelungskosten abzugsfähig sein.
Normenkette
§ 10 Abs. 5 Nr. 1, Nr. 3 ErbStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist Alleinerbin des im Jahr 2013 verstorbenen Erblassers. Im Rahmen ihrer Erbschaftsteuererklärung machte sie u.a. Steuerberatungskosten geltend. Es handelte sich um Aufwendungen für Nacherklärungen zur Einkommensteuer auf Veranlassung der Klägerin. Der Erblasser hatte in den Jahren 2002 bis 2012 in der Schweiz Kapitalerträge erzielt und nicht erklärt. Die entsprechenden Einkommensteuerbescheide ergingen im November 2013. Daneben erklärte sie Kosten für die teilweise in Eigenregie vorgenommene Räumung und Haushaltsauflösung der durch den Erblasser genutzten Wohnung.
Das FA berücksichtigte bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer zwar die Einkommensteuerschulden 2002 bis 2012 zuzüglich Hinterziehungszinsen, nicht aber die Steuerberatungskosten und die Räumungskosten als Nachlassverbindlichkeiten. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das FG gab der Klage hinsichtlich der Steuerberatungskosten statt und wies sie hinsichtlich der Räumungskosten ab (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.5.2019, 7 K 2712/18, Haufe-Index 13240689, EFG 2019, 1398).
Entscheidung
Auf die Revision der Klägerin gab der BFH der Klage aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen auch hinsichtlich der Räumungskosten statt. Die Revision des FA hatte keinen Erfolg.
Hinweis
1. Zu den nach § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 bis 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten zählen u.a. nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG die sog. Erblasserschulden, nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG die sog. sonstigen Nachlassverbindlichkeiten.
Zu den Erblasserschulden rechnen auch die vom Erblasser herrührenden privaten Steuerverbindlichkeiten, insbesondere die Einkommensteuerschulden (wegen der Einzelheiten s. BFH, Urteil vom 11.7.2019, II R 36/16, BFH/NV 2020, 143, BStBl II 2020, 391).
2. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sind die Kosten abzugsfähig, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Kosten für die Verwaltung des Nachlasses sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG nicht abzugsfähig.
a) Der Begriff "Kosten der Regelung des Nachlasses" ist weit auszulegen. Er umfasst die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses einschließlich von Bewertungskosten, aber auch alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen. Zu den Nachlassregelungskosten können auch bestimmte Kosten gehören, die durch die Tilgung von Erblasserschulden entstehen.
b) Es ist unschädlich, vielmehr für die Nachlassabwicklungs-, Nachlassregelungs- und Nachlassverteilungskosten typisch, dass der Erbe selbst die Kosten ausgelöst hat. Dies gilt z.B. für die Vergütung eines Bevollmächtigten, die Kosten der Anfertigung der Erbschaftsteuererklärung und die Vergütung für die Umschreibung im Grundbuch. Unerheblich ist grundsätzlich, ob eine kostengünstigere Lösung möglich gewesen wäre. Im Zusammenhang mit einer durch den Erblasser angeordneten Regelung des Nachlasses ist anerkannt, dass es auf kostengünstigere Optionen nicht ankommt. Dies gilt allgemein.
c) Wie der in § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG verwendete Begriff "unmittelbar" zeigt, müssen die Kosten in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen stehen und dürfen nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG) anfallen.
Während die nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG zu berücksichtigenden Kosten in Bezug auf den Erwerb von Todes wegen Erwerbsaufwand darstellen, sind die Kosten für die Verwaltung des Nachlasses i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStGVerwendungsaufwand, der erbschaftsteuerrechtlich unbeachtlich ist. Das sind Kosten, die nur dazu dienen, den Nachlass zu erhalten, zu nutzen und zu mehren oder das Vermögen zu verwerten. Dazu gehören etwa die Erfüllung laufender Verpflichtungen, aber auch die bei der Veräußerung von Nachlassgegenständen zum Zwecke der Verwertung entstehenden Kosten, etwa Ablösebeträge an Mieter zwecks Grundstücksverkaufs.
Die Abgrenzung zwischen Kosten der Nachlassregelung und Kosten der Nachlassverwaltung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. So wie § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG einen unmittelbaren Zusammenhang der Kosten mit den jeweiligen Abzugstatbeständen verlangt, liegen Kosten der Nachlassverwaltung dann vor, wenn dieser unmittelbare Zusammenhang fehlt. Die darin liegende Zäsur zwischen Erwerbserlangungskosten und Nachlassverwaltungskosten ist indes kein für den jeweiligen Erbfall und auch kein für alle Nachlassverbindlichkeiten...