Leitsatz
1. Die Vereinbarung einer Ratenzahlung begründet keine Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG.
2. Die Steuerentstehung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG ist nicht auf bereits fällige Entgeltansprüche beschränkt.
3. Eine Teilleistung i.S. von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG, bei der für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird, erfordert eine Leistung mit kontinuierlichem oder wiederkehrendem Charakter.
Normenkette
§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 1 bis 3, § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG, Art. 63, Art. 64, Art. 90 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die der Sollbesteuerung unterliegende Klägerin war im Jahr 2012 (Streitjahr) als Vermittlerin für eine GmbH tätig. Als Gegenleistung war vereinbart, dass der Auftragnehmer vom Auftraggeber ein Honorar i.H.v. 1.000.000 EUR zuzüglich USt erhält. Das vereinbarte Honorar sollte in fünf Teilbeträgen von jeweils 200.000 EUR zuzüglich USt gezahlt werden. Die Teilbeträge waren in einem Abstand von jeweils einem Jahr fällig und der erste Teilbetrag war am 30.6.2013 zu zahlen. In den Folgejahren erstellte die Klägerin Rechnungen mit Steuerausweis über die jeweiligen Teilbeträge zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt, vereinnahmte und versteuerte dementsprechend.
Das FA ging davon aus, dass die Klägerin aufgrund der bereits im Streitjahr steuerpflichtig erbrachten Vermittlungsleistung das gesamte Vermittlungshonorar zu versteuern habe. Dem Einwand der Klägerin, dass sie in den Jahren 2013 bis 2018 noch weitere Vermarktungsleistungen zu erbringen hatte und dass eine jährliche Zahlung von 200.000 EUR unter der Bedingung geschuldet sei, dass das Projekt eine entsprechende Entwicklung nehme, folgte das FA nicht. Daher änderte das FA die USt-Festsetzung 2012 durch Steuerbescheid vom 22.12.2016. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Demgegenüber gab das FG der Klage überwiegend statt. Die Klägerin habe ihre Vermittlungsleistung bereits im Streitjahr erbracht. Es sei jedoch mit Ausnahme des ersten im Folgejahr 2013 vereinnahmten Betrags von einer Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 1 Satz 1 UStG auszugehen (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.3.2019, 3 K 1816/18, Haufe-Index 13030185, EFG 2019, 835).
Entscheidung
Im Anschluss an ein Vorabentscheidungsersuchen, das zum EuGH-Urteil vom 28.10.2021, C–324/20, X-Beteiligungsgesellschaft (EU:C:2021:880, BFH/NV 2022, 96) führte, hob der BFH die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies die Sache an das FG zurück. Zu prüfen sei, ob die Klägerin nicht doch Leistungen über einen mehrjährigen Zeitraum und nicht nur eine einmalige Vermittlungsleistung erbracht habe, wie die Klägerin im Wege der sog. Gegenrüge geltend gemacht habe.
Hinweis
1. Der BFH hatte in der Vergangenheit immer wieder Tendenzen erkennen lassen, die auf eine Einschränkung der sog. Sollbesteuerung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG hinausliefen. Dabei ging es um die Sollbesteuerung verbundene Vorfinanzierung der Steuer, wenn der Unternehmer das Entgelt für die bereits erbrachte Leistung erst später vereinnahmen kann.
2. Hierfür bestanden zwei Ansatzpunkte. Zum eine konnte daran gedacht werden, die Sollbesteuerung auf fällige Entgeltansprüche zu beschränken. Zum anderen kam es in Betracht, den Begriff der Uneinbringlichkeit in der Weise auszulegen, dass es für nicht fällige Entgeltansprüche zu einer sofortigen Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 1 Satz 1 UStG kommt.
3. Beiden obigen Überlegungen hat der EuGH eine eindeutige Absage erteilt (EuGH, Urteil vom 28.10.2021, C–324/20, X-Beteiligungsgesellschaft, EU:C:2021:880, BFH/NV 2022, 96). Der Unternehmer, der z.B. seine Lieferung gegen eine "Anzahlung" und weitere Ratenzahlungen erbringt, muss daher den Betrag der Erstzahlung so kalkulieren, dass er hieraus die USt für die bereits ausgeführte Lieferung in vollem Umfang begleichen kann.
4. Dem schließt sich der BFH an. Leistungen gegen Ratenzahlungsvereinbarungen unterliegen daher wie bisher der Sollbesteuerung, ohne dass es über § 17 UStG zu einer Einschränkung kommt. Ratenzahlungsvereinbarungen reichen auch nicht für die Annahme einer Teilleistung aus.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 1.2.2022 – V R 37/21 (V R 16/19)