Leitsatz
1. Die entgeltliche Überlassung von urheberrechtlich geschützten Computerprogrammen unterliegt nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG dem ermäßigten Steuersatz, wenn der Urheber oder Nutzungsberechtigte dem Leistungsempfänger die in § 69c UrhG bezeichneten Rechte auf Vervielfältigung und Verbreitung nicht nur als Nebenfolge einräumt.
2. Bei der Prüfung, ob die in § 69c UrhG bezeichneten Rechte nicht nur als Nebenfolge eingeräumt worden sind, ist von den vertraglichen Vereinbarungen und den tatsächlichen Leistungen auszugehen. Ergänzend ist auf objektive Beweisanzeichen (z.B. die Tätigkeit des Leistungsempfängers, die vorhandenen Vertriebsvorbereitungen und Vertriebswege, die wirkliche Durchführung der Vervielfältigung und Verbreitung sowie die Vereinbarungen über die Bemessung und Aufteilung des Entgelts) abzustellen.
3. Der Weitervertrieb von Computerprogrammen an rechtlich selbstständige Konzernunternehmen und an Kooperationspartner kann eine Verbreitung i.S.d. § 17, § 69c Nr. 3 UrhG sein.
Normenkette
§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG , Art. 12 Abs. 3 ?uchst. a Unterabs. 3 der 6. EG-RL, Nr. 8 Anhang H
Sachverhalt
Eine GmbH (Klägerin) übernahm die Softwareentwicklungsaufgaben für ihre Gesellschafterinnen, zwei Banken, sowie deren Konzernunternehmen und Kooperationspartner. Nach dem Rahmenvertrag übernahm sie die Herstellung von Individualsoftware und die Übertragung des unbeschränkten Rechts "zur Nutzung, Weiterentwicklung, Vervielfältigung, Verbreitung, Vorführung, Bearbeitung und sonstigen Verwertung von Urheberschutzrechten an den auftragsgemäß entwickelten Computerprogrammen"; sie musste auf Verlangen eine Kopie des Quellcodes nebst einer vollständigen Dokumentation und Kommentierung herausgeben. Die Banken gaben die entwickelte Software an Tochtergesellschaften sowie an drei konzernfremde kooperierende Banken weiter.
FA und FG sahen die Voraussetzungen für die Steuerermäßigung nicht für gegeben.
Entscheidung
Die Revision hatte Erfolg. Der BFH stellt klar, dass auch die bisherigen Entscheidungen die vertraglichen Vereinbarungen und tatsächlichen Leistungen würdigen und nur ergänzend auf Beweisanzeichen (z.B. die Tätigkeit des Leistungsempfängers, die vorhandenen Vertriebsvorbereitungen und Vertriebswege, die wirkliche Durchführung der Vervielfältigung und Verbreitung sowie die Vereinbarungen über die Bemessung und Aufteilung des Entgelts) abgestellt wurde.
Beweisanzeichen für die Verwertung durch Verbreitung im Streitfall war die Überlassung an andere Unternehmer im Konzern und im Kooperationsverbund, nach § 69c Satz 1 Nr. 3 UrhG eine zustimmungsbedürftige Verbreitung des von der Klägerin eingeräumten Urheberrechts an den Computerprogrammen; denn im Bereich des Urheberrechtsschutzes von Software muss das Computerprogramm für jeden einzelnen Anwender lizenziert werden. Bereits die bloße Weitergabe eines Computerprogramms innerhalb eines sog. "Intranets" oder eines sog. "file-sharing-Systems" kann eine Verbreitung i.S.d. § 17, § 69c Nr. 3 UrhG sein.
Hinweis
Es geht um die Steuerermäßigung (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG) für Individualsoftware: der Rechtsinhaber muss dem Leistungsempfänger nach Inhalt und wirtschaftlichem Gehalt des Umsatzes das Recht zur Verwertung de? für seine Bedürfnisse entwickelten Werks gem. den Bestimmungen des UrhG (insbesondere durch Vervielfältigung und Verbreitung) einräumen.
Die Einräumung oder Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte muss Hauptbestandteil – nicht nur Nebenleistung – der einheitlichen Gesamtleistung (Entwicklung und Überlassung des Programms zur Benutzung und Verbreitung) sein. Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werks der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen (§ 17 Abs. 1, § 69c Nr. 3 UrhG). In-Verkehr-Bringen (Heraustreten des Anbietenden aus der internen Sphäre in die Öffentlichkeit) kann auch der Vertrieb an rechtlich selbstständige Schwestergesellschaften oder Kooperationspartner sein.
Die bloße zustimmungspflichtige oder zustimmungsfreie Befugnis zur Benutzung des geschützten Werks reicht nicht. Nur ein Nutzungsrecht liegt vor, wenn sich aus der Art der Leistung und aus den Umständen des Einzelfalls ergibt, dass sich der Leistungsempfänger die Benutzung des für seine Bedürfnisse geschaffenen Computerprogramms gesichert hat und der Leistende dem Leistungsempfänger die Vervielfältigung und Verbreitung zwar gestattet hat, diese aber objektiv nicht erstrebt ist. Ohne Bedeutung ist, dass der Nutzungsberechtigte als Person, die zur Nutzung berechtigt ist, in diesem Rahmen Vervielfältigungsstücke und Sicherungskopien anfertigen und das Funktionieren des Programms testen darf (vgl. § 69d Abs. 2 bis 3 UrhG).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 25.11.2004, V R 25/04, V R 26/04