Leitsatz
1. Mieter können die Steuerermäßigung gemäß § 35a EStG für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen auch dann geltend machen, wenn sie die Verträge mit den Leistungserbringern nicht selbst abgeschlossen haben.
2. Eine Wohnnebenkostenabrechnung, eine Hausgeldabrechnung, eine sonstige Abrechnungsunterlage oder eine Bescheinigung entsprechend dem Muster in Anlage 2 des BMF-Schreibens vom 09.11.2016 (BStBl I 2016, 1213), die die wesentlichen Angaben einer Rechnung sowie einer unbaren Zahlung nach § 35a Abs. 5 Satz 3 EStG enthält, reicht vorbehaltlich sich aufdrängender Zweifel an deren Richtigkeit für die Geltendmachung der Steuerermäßigung nach § 35a EStG regelmäßig aus.
Normenkette
§ 35a Abs. 2 Satz 1 Alternative 2, Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 3 EStG, § 11 Abs. 2 Satz 1, § 5, § 85, § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO, § 259 Abs. 1, § 611 BGB, § 29 Abs. 2 Satz 1 NMV
Sachverhalt
Die Kläger wohnten im Streitjahr (2016) in einer angemieteten Eigentumswohnung. Der Vermieter stellte ihnen mit der Nebenkostenabrechnung Aufwendungen für Treppenhausreinigung, Schneeräumdienst, Gartenpflege und für die Überprüfung von Rauchwarnmeldern in Rechnung. Hierfür begehrten sie die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen nach § 35a EStG. Das FG wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage ab. Die von den Klägern vorgelegten Nachweise/Abrechnungsunterlagen seien unzureichend (Niedersächsisches FG, Urteil vom 8.5.2019, 4 K 120/18, Haufe-Index 14099651, EFG 2020, 1668).
Entscheidung
Auf die Revision der Kläger hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.
Hinweis
1. Bei der Treppenhausreinigung, dem Schneeräumen und der Gartenpflege handelt es sich um haushaltsnahe Dienstleistungen, die in dem im Inland und damit in der EU liegenden Haushalt der Kläger erbracht wurden.
2. Die Funktionsprüfung der Rauchwarnmelder stellt eine handwerkliche Tätigkeit im Haushalt der Kläger dar.
3. Die Kläger haben – wie von § 35a Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 EStG und § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG vorausgesetzt – diese haushaltsnahen Dienstleistungen und die Handwerkerleistung auch in Anspruch genommen. Im Streitfall bestanden zwischen den Klägern und den Erbringern der haushaltsnahen Dienstleistungen keine unmittelbaren vertraglichen oder vertragsähnlichen Rechtsbeziehungen. Die "Inanspruchnahme" haushaltsnaher Dienstleistungen und Handwerkerleistungen erfordert jedoch nicht, dass der Steuerpflichtige einen eigenen zivilrechtlichen Anspruch gegen den Leistungserbringer besitzt. Der Steuerpflichtige nimmt haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen auch dadurch in Anspruch, dass ihm die betreffenden Leistungen – wie vorliegend – zugute kommen.
4. Gemäß § 35a Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 1 EStG ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und für Handwerkerleistungen zudem, "dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat"und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt.
5. Als Nachweis hierfür genügt auch die Wohnnebenkostenabrechnung des Vermieters, die Hausgeldabrechnung der WEG oder des Verwalters, weitere oder ergänzende Abrechnungsunterlagen, die der Mieter erhalten hat, oder eine Bescheinigung, die dem von der Finanzverwaltung anerkannten Muster in Anlage 2 des BMF-Schreibens vom 9.11.2016 (BStBl I 2016, 1213) entspricht. Aus diesen "Ersatzrechnungen" müssen sich allerdings Art, Inhalt und Zeitpunkt der Leistung sowie Leistungserbringer und Leistungsempfänger nebst geschuldetem Entgelt einschließlich des Hinweises der unbaren Zahlung ergeben. Das Gesetz verlangt insoweit nicht, dass die betreffende Zahlung durch die Steuerpflichtigen selbst – hier also die Kläger – erfolgt. Die Zahlung kann ebenso ein Dritter leisten. Unter den im Streitfall gegebenen Umständen kommen hier insoweit insbesondere der Vermieter der Kläger, die Wohnungseigentümergemeinschaft oder die Verwalterin in Betracht.
6. Bei sich aufdrängenden Zweifeln an der Richtigkeit dieser Unterlagen kann dem Mieter die Steuerermäßigung deshalb nicht schon allein aus diesem Grund versagt werden. Denn die entsprechenden Abrechnungsunterlagen/Bescheinigungen und deren Erhalt sind keine Tatbestandsmerkmale des § 35a EStG. Vielmehr sind FA und FG von Amts wegen verpflichtet, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Nur in letzter Konsequenz – wenn auch diese Aufklärungsbemühungen des FA und des FG scheitern sollten – wird man den steuerpflichtigen Mieter darauf verweisen können, den Erhalt (von Kopien) der Rechnungen im Zivilrechtsweg – unter Aussetzung des Besteuerungs- oder Klageverfahrens – zu erstreiten.
7. Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist das Urteil des FG aufzuheben und die nicht entscheidungsreife Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Sollte das FG auch im zweiten Rechtsgang zu der Überzeugung gelangen, dass die von den Klägern vorgelegten und gegebenenfalls noch zu ergänzenden (Abrechnungs-)U...