Dr. Gerlind Wendt, Michael Wendt
Leitsatz
Eine vor dem 1. Januar 1987 einem Dritten entgeltlich zu Wohnzwecken überlassene Wohnung konnte bis zum 1. Januar 1999 auch dann für "eigene Wohnzwecke oder für Wohnzwecke eines Altenteilers" gewinnneutral entnommen werden, wenn sie zum Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft gehörte.
Normenkette
§ 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 EStG 1987
Sachverhalt
Zum Gesamthandsvermögen einer Besitz-KG gehörte eine Wohnung, die im an die Betriebs-GmbH verpachteten Betriebsgebäude lag und von einem der Kommanditisten gemeinsam mit seiner Ehefrau bewohnt wurde. Ein schriftlicher Mietvertrag war nicht geschlossen worden. Ein Nutzungsentgelt wurde nur buchmäßig erfasst, indem auf dem Kapitalkonto des Kommanditisten eine Entnahme verbucht wurde, um den betreffenden Betrag dem Konto "Mieterlöse" gutzuschreiben.
Der Kommanditist verstarb im Jahr 1987 und wurde von seiner Tochter beerbt, die ebenfalls Kommanditistin war. Die Witwe bewohnte auf Grund eines testamentarisch eingeräumten lebenslangen Wohnrechts die Wohnung weiter. Mit ihrer Gewinnfeststellungserklärung für 1987 erklärte die KG einen steuerfreien Gewinn aus der Entnahme der Wohnung.
Nachdem Einspruch und Klage vor dem FG erfolglos geblieben waren, gab der BFH der Revision der KG statt und bestätigte deren Rechtsauffassung.
Entscheidung
Die Voraussetzungen für eine steuerfreie Entnahme nach § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 i.V.m. Satz 10 EStG 1987 seien erfüllt. Die Wohnung sei einem Dritten entgeltlich zur Nutzung überlassen worden. Der Kommanditist sei "Dritter", weil das Grundstück zum Gesamthandsvermögen der KG gehört habe. Revisionsrechtlich unangreifbar sei das FG zu der Annahme gekommen, die Wohnung sei entgeltlich überlassen worden. Ob das Entgelt angemessen gewesen sei, habe keine Bedeutung für § 52 Abs. 15 EStG 1987.
Mit dem unentgeltlichen Bewohnen durch die Witwe sei die Wohnung entnommen worden. Ein von einem Gesellschafter unentgeltlich genutztes Wohngebäude sei notwendiges Privatvermögen der Gesellschafter. Dasselbe müsse für ein Gebäude gelten, das von einer dem Gesellschafter nahestehenden Person unentgeltlich bewohnt werde.
Die Wohnung sei für Wohnzwecke eines Altenteilers i.S.d. § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 EStG 1987 entnommen worden. Auch der überlebende Ehegatte sei Altenteiler. Nach dieser Vorschrift solle die gewinnneutrale Entnahme auch dann ermöglicht werden, wenn der Entnehmende die Wohnung nicht selbst nutze oder auf Grund ihm obliegender Verpflichtung überlasse, sondern eine bisher vermietete Wohnung als Betriebsleiter- oder Altenteilerwohnung benötigt werde.
Ob das Grundstück zum Gesamthandsvermögen, zum Sonderbetriebsvermögen des nutzenden Gesellschafters oder zum Sonderbetriebsvermögen eines anderen Gesellschafters gehöre, sei jedenfalls dann ohne Bedeutung, wenn der die Wohnung nutzende Gesellschafter oder Übergeber den Betrieb leite oder geleitet habe, so dass sein Wohnen auf dem Betriebsgelände sinnvoll erscheine.
Objektverbrauch sei nicht eingetreten, weil keine Wohnungen i.S.d. § 52 Abs. 15 Satz 6 oder Satz 8 Nr. 1 EStG 1987 vorhanden gewesen seien.
Hinweis
Die Entscheidung hat nur noch für die Vergangenheit Bedeutung. Sie ist eine "Spätfolge" der Konsumgut-Lösung. 1986 war die selbst genutzte Wohnung dem Privatbereich zugeordnet worden, so dass seitdem einerseits der Nutzungswert der selbst genutzten Wohnung nicht mehr als Einnahme zu versteuern ist, aber andererseits auch Kosten im Zusammenhang mit der Wohnung nicht mehr als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden können.
Für bislang zum Betriebsvermögen gehörende Wohnungen bedeutete die Konsumgut-Lösung eine Pflicht zur Entnahme, die allerdings durch die Übergangsregelungen in § 52 Abs. 15 EStG 1987 in vielen Fällen bis Ende 1998 hinausgeschoben werden konnte. Weil die Besteuerung des Entnahmegewinns für die Betriebsleiter- und Altenteilerwohnungen als unbillig angesehen wurde, enthält § 52 Abs. 15 EStG 1987 zugleich ein schwer durchschaubares Dickicht an Steuerbefreiungen.
Vorwiegend betroffen von der Steuerbefreiung sind die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, denn Betriebsleiter- und Altenteilerwohnung gehörten bis 1986 nach ausdrücklicher Regelung im Gesetz zum Betriebsvermögen. Eine solche Regelung gab es für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit nicht. Die Betriebsleiter- oder Altenteilerwohnung konnte nur ausnahmsweise zum Betriebsvermögen gehören, etwa wenn es sich um eine entgeltlich überlassene Wohnung handelte.
Noch heute wird die zwangsläufig stattfindende Entnahme des Grund und Bodens bei Bebauung mit einer Betriebsleiter- oder Altenteilerwohnung steuerfrei gestellt (§ 13 Abs. 5 EStG, auf den auch § 15 Abs. 1 Satz 3 und § 18 Abs. 4 Satz 1 EStG verweisen), allerdings bei gewerblichen und freiberuflichen Einkünften nur dann, wenn das Grundstück schon 1986 zum Betriebsvermögen gehört hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.11.2000, IV R 82/99