Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Auch wenn Strom über eine Photovoltaikanlage vom Vermieter erzeugt und an die Mieter geliefert wird, handelt es sich dabei im Regelfall nicht um eine unselbstständige Nebenleistung der (steuerfreien) Vermietung. Entscheidend ist, dass der Mieter die Möglichkeit hat, den Stromanbieter frei zu wählen.
Sachverhalt
Der Kläger hatte ein Mehrfamilienhaus und ein Doppelhaus umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG vermietet. Auf den Dächern der Objekte ließ der Kläger jeweils Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) mit Speichern installieren. Der von den Anlagen erzeugte Strom wurde teilweise direkt an die Mieter geliefert und teilweise an Netzbetreiber verkauft. Wenn die Mieter mehr Strom benötigten, bezog der Kläger diesen über Energielieferanten und verkaufte ihn an die Mieter mit einem Gewinnaufschlag weiter. Die Abrechnung an die Mieter erfolgte laut einer "Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag über Stromversorgung" jährlich über einen Gemeinschaftszähler mit Unterzählern nach der individuellen Verbrauchsmenge. Falls ein Mieter den Strom anderweitig beziehen wollte, musste er die Umrüstungskosten für die Zähleranlage tragen. Das Finanzamt versagte dem Kläger den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der Photovoltaikanlagen, da es sich bei der Stromlieferung des Klägers an die Mieter um eine Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Hauptleistung (Vermietung) handle.
Entscheidung
Das FG Hannover hat die Klage für begründet erklärt. Dem Kläger steht das Recht zum Vorsteuerabzug aus der Errichtung der PV-Anlage zu, da die Stromlieferungen keine (unselbstständige) Nebenleistung zu den umsatzsteuerfreien Vermietungsleistungen des Klägers darstellen. Zwar behandelt die Verwaltung unverändert sogenannte Mietnebenkosten (z. B. Wasser und Strom) als unselbstständige Nebenleistungen zur Hauptleistung "Vermietung" (Abschn. 4.12.1 Abs. 5 Satz 3 UStAE), hat der Mieter aber bei Leistungen die Möglichkeit, Lieferanten und/oder Nutzungsmodalitäten auszuwählen, sind diese nach dem Urteil des EuGH, Urteil v. 16.4.2015, C-42/14 (Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie) grundsätzlich als von der Vermietung getrennt anzusehen. Dies gilt insbesondere "wenn der Mieter über seinen Verbrauch von Wasser, Elektrizität oder Wärme (der durch die Anbringung von individuellen Zählern kontrolliert und in Abhängigkeit dieses Verbrauchs abgerechnet werden kann) entscheiden kann" (...). "Die Leistungen, die sich auf diese Gegenstände oder Dienstleistungen beziehen, müssten grundsätzlich als von der Vermietung getrennt angesehen werden." Dies hat der BFH bereits bestätigt, jedoch mangels Entscheidungserheblichkeit diese Frage nicht weiter behandelt (BFH, Urteil v. 11.11.2015, V R 37/14, BStBl 2017 II S. 1259). Vorliegend hat der Kläger unstreitig die Verbrauchsmenge des Stroms mit seinen Mietern über individuelle (Unter-)Zähler abgerechnet. Dies ist ein gewichtiges Indiz für eine getrennte Lieferung. Auch haben individuelle (Zusatz-) Vereinbarungen über die Stromlieferung mit vom Mietvertrag abweichenden Kündigungsmöglichkeiten bestanden. Nach Auffassung des FG hatten die Mieter faktisch die freie Wahl des Stromanbieters, obwohl sie dann erforderliche Umbaukosten tragen müssten. Dies erschwere zwar einen Wechsel des Anbieters, machten einen solchen jedoch nicht unmöglich. Auch sei denkbar, dass ein neuer Stromlieferant diese Kosten anteilig oder voll übernehme.
Hinweis
Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Vermietungsleistungen und Leistungen über Nebenkosten eine einheitliche Leistung oder zwei getrennte Leistungen darstellen, hat der BFH in seinem oben genannten Urteil BFH, Urteil v. 11.11.2015, V R 37/14, BStBl 2017 II S. 1259 nicht entschieden, sondern lediglich auf das oben genannte EuGH-Urteil hingewiesen. Das FG hat daher die Revision zugelassen. Beim BFH liegen zu ähnlichen Fragen bereits folgende Revisionsverfahren vor: Az beim BFH V R 22/20 (zur Frage, ob die Mitvermietung sogenannter Betriebsvorrichtungen eine Nebenleistung zur Gebäudevermietung darstellt) und Az beim BFH, V R 41/19 (zur Frage, ob die Mitvermietung von beweglichem Inventar eine Nebenleistung zur Gebäudevermietung ist). Immobilienvermieter sollten die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen und ggf. Steuerfestsetzungen offenhalten. Sollte der BFH oder auch die Verwaltung die Auffassung des FG bestätigen, ist damit zu rechnen, dass seitens der Verwaltung eine Übergangsregelung für die Vergangenheit erfolgt.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil v. 25.02.2021, 11 K 201/19