Unstreitig können Durchsuchungen bei Dritten bzw. Zeugen durchgeführt werden, wenn der Täter eine Steuerhinterziehung begangen hat. Problematisch ist allein, ob und welche Daten und Informationen des Beschuldigten in einem Beschluss nach § 103 StPO zu offenbaren sind. Dies hängt von der Reichweite des Steuergeheimnisses und der damit verbundenen Durchbrechungswirkung des § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO ab.
Streitig ist in dem Zusammenhang, ob derselbe Begründungsumfang unter vollumfänglicher Benennung von (weiterreichenden) Details wie beim Durchsuchungsbeschluss beim Beschuldigten gem. § 102 StPO auch beim Zeugen gem. § 103 StPO zu erfolgen hat (so LG Koblenz v. 1.3.2004 – 10 Qs 61/03, wistra 2004, 438; LG Bielefeld v. 22.11.2007 – I Qs 587/07, Rz. 20 ff.; Peters in Kohlmann, § 399 AO Rz. 40.5 [5/2020]; Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2017, § 399 AO Rz. 90) oder ob eine stark eingekürzte Begründung erforderlich ist (vgl. LG Konstanz v. 17.12.1998 – 1 Qs 98/98, wistra 2000, 118; Hilgers-Klautzsch in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 385 AO, Rz. 281 [11/2020]; Tormöhlen in Gosch, AO/FGO, § 30 AO Rz. 105 [9/2022]), bei der die Daten des Beschuldigten nicht benannt werden. Auf diese letztgenannte Rechtseinschätzung greift wiederholt die Ministerialbürokratie und die beantragenden Strafsachenfinanzämter zu Unrecht zurück.
Das BVerfG (vgl. BVerfG v. 6.3.2002 – 2 BvR 1619/00, NJW 2002, 1941, 1942) hat hierzu eindeutig entschieden, dass der Ermittlungsrichter im konkreten Einzelfall die Begründung so zu fassen hat, dass der Sachverhalt aus sich selbst heraus verständlich wird. Diese Verständlichkeit muss so präzise sein, dass ein Rechtsmittel durch den Dritten allein auf der Grundlage der in dem Durchsuchungsbeschluss gegebenen Begründung geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfG v. 4.4.2017 – 2 BvR 2551/12 Rz. 20). Danach sind alle notwendigen Daten, Informationen oder Tatsachen zu benennen, die für eine Begründung des Durchsuchungsbeschlusses rechtlich und tatsächlich notwendig sind, weshalb der Ermittlungsrichter bei Bedarf auch die vollständigen steuerlichen Daten sowie den vollständig vorgeworfenen Sachverhalt auszuführen hat.
Allerdings ist nach hier vermittelnder Ansicht eine Wertung oder Anwendung nicht pauschal durchzuführen, eine umfassende Einführung von steuerlichen Daten und des vollständigen Sachverhaltes ist nicht stets notwendig. Vielmehr ist im konkreten Einzelfall gesondert durch den Ermittlungsrichter zu untersuchen, ob und welche steuerlich geschützten Daten überhaupt im obigen Sinne zur Rechtsverteidigung von Bedarf sind. Auf Basis dieser Untersuchung ist eine Differenzierung nach vom Steuergeheimnis geschützter Daten vorzunehmen, die eine Grundlage einer Rechtsverteidigung ermöglichen, und solcher geschützter Daten, die die Rechtsverteidigung nicht fördern können. Damit erhalten geschützte Daten keine Verwendungsfreigabe, die keinen direkten oder mittelbaren Einfluss auf die Begründung und die Verständlichkeit des Durchsuchungsbeschlusses haben; solange der Tatvorwurf auch ohne geschützte Daten hinreichend verständlich wird und eine Verteidigung des Wohnungsgrundrechtsträgers möglich ist, dürfen diese nicht in die Begründung aufgenommen werden (so auch Grommes in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 399 AO Rz. 64 m.w.N. [4/2013]). Der Einbezug der Steuerdaten verfolgt keinen Selbstzweck, er dient vielmehr ausschließlich der Verständlichkeit und Justiziabilität der Durchsuchungsmaßnahme. Deshalb hat der Ermittlungsrichter jeweils gesondert zu entscheiden, ob im konkreten Einzelfall die konkreten Steuerdaten des Beschuldigten in der Darstellung des Sachverhaltes überhaupt erforderlich sind.
Stets sind dies die dem Täter vorgeworfenen Steuerjahre, die in Verdacht stehenden Steuerarten und zumindest in groben Zügen die vorgeworfenen Handlungen bzw. Unterlassungen des Täters. Nur anhand dieser Angaben kann der Dritte überprüfen und beurteilen, ob er inhaltlich vom Durchsuchungsbeschluss überhaupt erfasst sein kann. Diese Evidenzprüfung ist auch deshalb notwendig, weil die Beschlagnahmebefugnis sich grundsätzlich nur auf solche Beweismittel erstreckt, die dem Tatvorwurf zugeordnet werden können.
Beachten Sie: Die Rahmenbedingungen der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung sind auch durch die Finanzverwaltung wahrzunehmen und umzusetzen. Eine automatische Sperre von Daten und Informationen im Rahmen des Steuergeheimnisses ist nicht vorgesehen. Es ist ausschließlich durch den Ermittlungsrichter im konkreten Einzelfall eine Entscheidung zu treffen, welche Daten über § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO im Zusammenhang mit § 103 StPO verwendbar sind. Entsprechend den obigen Ausführungen und Ergebnissen sind ihm zwingend sämtliche Daten, Informationen und Tatsachen vollumfänglich mitzuteilen und vorzulegen. Ihm allein obliegt die Entscheidung zur jeweiligen Auswahl und Verwendung in Durchsuchungsbeschlüssen.