Dieses gesamtsystematische Ergebnis unter Einbezug der StPO spiegelt sich auch in der Systematik der engeren Anwendung der AO bestätigend wider. Ohne auf sämtliche rechtliche Details des Vollstreckungsrechts hier eingehen zu können, zeigt exemplarisch die Sachpfändung bereits die weitreichende Durchbrechung des Steuergeheimnisses. Bei einer vom Vollziehungsbeamten durchgeführten Pfändung von beweglichen Sachen, die beim Vollstreckungsschuldner belassen werden sollen, müssen gem. § 286 Abs. 2 S. 2 AO Siegel zur formalen Pfändung angebracht werden.
Die amtlichen Siegel bzw. Vordrucke sehen vor, dass die Vollstreckungsbehörde zu benennen ist und einen Hinweis auf den Vollstreckungsbeamten zu enthalten haben. Diese Angaben sind leserlich und präzise auf den Siegeln zu vermerken. Hierbei ist insb. die für Dritte stets gut und ohne Mühe sichtbare Anbringung zu beachten, um eine Verstrickung der Pfandsache herbeizuführen (vgl. Herget in Zöller, § 808 ZPO, 33. Aufl. 2020, Rz. 18 f.; Dißars in Schwarz/Pahlke, § 286 AO Rz. 13 [07/2020]). Diese Stelle muss hierbei so vom Vollziehungsbeamten der Finanzverwaltung ausgewählt werden, dass sie nicht übersehen werden kann und für jedermann ohne näheres Nachforschen nachzuvollziehen ist (vgl. VollzA Abschn. 44 Abs. 3 S. 1). Ergebnis dieser rechtlichen Vorgaben ist somit die Kenntnisnahmemöglichkeit einer unbestimmten Anzahl von Personen und einer nicht abgegrenzten Personengruppe; diese erhält zudem regelmäßig auch Kenntnis von dem steuerlichen Sachverhalt.
Beispiele
(1) Wird ein Kfz durch Pfandsiegel gepfändet und durch Radkralle vor dem Entfernen gesichert, können alle Personen die Pfändung sofort und unmissverständlich erkennen, die am Fahrzeug vorbeikommen; insb. bekommen die Nachbarn Kenntnis von der Sachpfändung des FA.
(2) Werden in einem Geschäft die Sachen durch das Anbringen von Siegeln gepfändet, erhalten alle Kunden Kenntnis davon. Wird zudem die Schaufensterauslage mit gesiegelt, können alle Vorbeigehenden von dem Zwangsvollstreckungsverfahren der Finanzverwaltung Kenntnis erhalten.
(3) Eine noch größere Reichweite der Kenntnis vom Verfahren der Finanzverwaltung kann in gewerblichen Unternehmen entstehen, wenn statt des Siegels eine Pfandanzeige angebracht wird (vgl. dazu Große in Große/Melchior/Lotz/Ziegler/Henk/Hudasch/Tengenberger, AO, 22. Aufl. 2021, Rz. 2802). Z.B. Ware auf Regalmeter wird zusammenhängend mit der Pfandanzeige verstrickt.
Diese leicht sichtbare Veröffentlichung der Zwangsvollstreckung hat für den Vollstreckungsschuldner neben seinem wirtschaftlichen Imageschaden vielfach erhebliche wirtschaftliche und/oder soziale Auswirkungen, z.B. negative Beurteilungsauswirkungen auf Zulieferer wie Warenlieferungen auf Zahlungsziel, Skonto usw.
Innerhalb der Ministerialbürokratie ist anerkannt und rechtlich unbestritten, dass eine solche Außenwirkung von Vollstreckungsmaßnahmen nicht die Durchführung einer solchen Maßnahme verhindern oder behindern darf. Es wird klar und unmissverständlich angenommen, dass das offensichtliche Verfahren ein notwendiger, unausweichlicher Bestanteil der Vollstreckungsmaßnahme selbst ist (vgl. Tormöhlen in Gosch, AO/FGO, § 30 AO Rz. 98 [04/2021]; Intemann in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 30 Rz. 130) und nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO vollumfänglich offenbart werden darf.
Das Vollstreckungsrecht führt daher mit der durch § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO erlaubten Offenbarung zu denselben, teils wirtschaftlich sogar (deutlich) vernichtenderen Folgen, wie es beim strafprozessualen Verfahren der Fall ist. Die Offenbarung von steuerlichen Daten dient beim Vollstreckungsrecht wie im strafprozessualen Verfahren zur formellen Durchsetzung von (Verfahrens)Vorschriften. Auch dieser Umstand stützt das Ergebnis, dass während einer Durchsuchungsmaßnahme die Funktion der handelnden Person offenbart werden darf.