Sobald jedoch im Zuge der Vorbereitung der Durchsuchungsmaßnahme die Funktions- oder Durchführungsfähigkeit des verfassungsrechtlich gebotenen strafprozessualen Ermittlungsverfahrens (vgl. Matthes in BeckOK, § 30 AO Rz. 98 [10/2022]) sicherzustellen ist, entsteht aufgrund der herausgearbeiteten Ergebnisse die rechtliche Befugnis zur Offenbarung.
Das Ergebnis der Konkordanz schlägt damit zugunsten einer Kenntlichmachung als Steuerfahndung um, wenn während der Durchsuchungsmaßnahme die Offenbarung aus organisatorischen Gründen notwendig wird, um den reibungslosen, sicheren und geschützten Ablauf der Maßnahme sicherzustellen.
Gefährdungsprognose: Diese Einstufung ist während der Vorbereitung zu prüfen, bei der die Eigen- und Fremdsicherung einzubeziehen ist; es ist im Zuge der Konkordanz eine ermessensgerechte Prognose anzustellen (vgl. Alber in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 30 AO Rz. 151 [11/2022]).
Beraterhinweis In diese Prognose sind alle bekannten Erkenntnisse des Einzelfalles einzubeziehen und abzuwägen. Soll das Steuergeheimnis durch eine Kenntlichmachung durchbrochen werden, ist die Entscheidung kurz und pointiert mit den wesentlichen Entscheidungsgründen zu verschriftlichen. Nur so kann ein Rechtfertigungsgrund i.S.d. §§ 355 StGB, 30 Abs. 4 Nr. 1 AO sicher nachgehalten werden.
Aufgrund der anzustellenden Prognose ist diese zweckgebundene Offenbarung immer dann zulässig, wenn das strafprozessuale Ermittlungsverfahren dadurch erst ermöglicht und/oder sachdienlich gefördert wird. Sobald die Prognose positiv zugunsten einer Offenbarung ausfällt, kann die dienstliche Kenntlichmachung angeordnet werden. Bei der Erstellung der Prognose müssen sorgfältig die bekannten Tatsachen geprüft werden, jedoch sind an die Entscheidung keine überspannten Anforderungen zu stellen. Es reicht vielmehr eine abstrakt begründbare Gefahrlage, bei der es während der Durchsuchungsmaßnahme in Ermangelung eines offenen Agierens der Steuerfandung zu organisatorischen oder strukturellen Störungen kommen könnte.
Beispiele:
Bei kombiniertem Einsatz von unterschiedlichen Behörden wie etwa Bereitschaftspolizei oder Ordnungsbehörden; öffentlichkeitswirksame Durchsuchung in Räumen mit mehreren/vielen Kunden.
Bei der anzustellenden Beurteilung der Gefahrenlage können auch konkrete frühere Erfahrungen bei vergleichbaren Situationen von anderen Ermittlungsfällen einbezogen werden.
Beraterhinweis Die Steuerfahndung ist mithin bei ihrer Prognose nicht allein auf die Erkenntnisse des konkreten Ermittlungsverfahrens beschränkt, sie kann vielmehr auf allgemeine Erfahrungssätze auch anderer Durchsuchungsbehörden zurückgreifen, wenn diese mit dem konkreten Einzelfall vergleichbar sind.