Sicherheitsprognose: Diese Offenbarungsbefugnis erstarkt zur Obliegenheit, wenn in der durchzuführenden Sicherheitsprognose eine personalisierte Gefährdungslage für die Durchsuchungsbeamten oder Dritter hinzutritt. Sie ist auf die körperliche Integrität der Durchsuchungsbeamten, der Personen, bei denen durchsucht werden soll, oder von unbeteiligten Dritten ausgerichtet. Die Gefahrensituation impliziert, dass während der Durchsuchungsmaßnahme eine Beeinträchtigung für die Gesundheit oder das Leben der betroffenen Menschen entstehen könnte.
Die Einsatzleiter führen bei der Planung der Durchsuchungsmaßnahme stets eine umfangreiche Gefahrenprognose durch, bei der alle Aspekte der organisatorischen und persönlichen Sicherung geprüft werden.
Beispiele:
Erkenntnisse über Waffen, Vorhandene Vorstrafen z.B. mit Körperverletzung, renitentes Auftreten bzw. Gewaltbereitschaft gegenüber Polizei oder Ordnungsbehörden, Missachtung von Weisungen usw.
Abwägung: Die in die Prognose einfließenden Erkenntnisse müssen bei der Prognose sorgfältig in Hinblick auf die Konkordanz abgewogen werden. Es muss mithin zwischen dem informationellen Selbstbestimmungsrecht, also dem Steuergeheimnis, und der körperlichen Unversehrtheit ein Ausgleich gefunden werden. Die Umstände, die für die Obliegenheit einer Offenbarung sprechen, dürfen daher nicht rein abstrakter Natur sein, sondern sie müssen einen konkreten Bezugspunkt bzw. Wissensanker aufweisen. Das ist zumindest immer dann der Fall, wenn sich die Erkenntnisse nachvollziehbar auf bekannte Tatsachen zurückführen lassen.
Beispiele:
Erkenntnisse zum Waffenschein des Beschuldigten; Erkenntnisse zur Verurteilung wegen Körperverletzung oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte; wiederholt renitentes Auftreten gegenüber Polizei oder Ordnungsbehörden
Die Erkenntnisgewinnung ist allerdings nicht allein auf solche Tatsachen beschränkt, die konkret auf die betroffene Durchsuchungsperson bezogen sind. Vielmehr können in die Prognose der personalisierten Gefährdungslage auch Erkenntnisse aus anderen, vergleichbaren Ermittlungsverfahren einbezogen werden. Bezugspunkt können somit auch Informationen werden, die bei Ermittlungsverfahren anderer Beschuldigter gewonnen wurden. Die Vergleichbarkeit darf aber nicht nur abstrakt sein, sondern muss hinsichtlich der anzutreffenden Personen, der bestehenden Gewaltbereitschaft, der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen, der Unübersichtlichkeit von Durchsuchungsorten oder ähnlichen Rahmenbedingungen unmittelbar und nachvollziehbar vergleichbar sein. Die heranzuziehende Vergleichssituation muss sich in der Vergangenheit bereits realisiert haben.
Beispiel:
A ist Reichsbürgerin und geht Hoheitsträger sofort körperlich an, sobald diese ihr Grundstück betreten. B gehört ebenfalls zu den Reichsbürgern. Bei der Prognose zur Durchsuchung bei B können die Erkenntnisse zu A deshalb auch bei B als in der Vergangenheit liegende Tatsachen herangezogen werden, die eine einzubeziehende Vergleichslage begründen.
An die Vergleichbarkeit der Situationen dürfen jedoch keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es reicht bereits, wenn eine Möglichkeit des wiederholten Eintrittes vorliegt.
Beispiel:
A ist Mitglied des T-Clans. Bei früheren Durchsuchungsmaßnahmen sind Mitglieder des T-Clans Durchsuchungsbeamte körperlich angegangen. Hier reicht bereits die Clanmitgliedschaft als Anknüpfungspunkt der Vergleichbarkeit.
Die in den Vergleich einzubeziehenden Erkenntnisse bzw. Tatsachen müssen nicht zwingend von der Steuerfahndung selbst ermittelt sein, sondern können auch aus den Erkenntnissen der Partnerdienststellen wie Polizei, Zoll, Ordnungsbehörden oder Staatsanwaltschaft stammen.
Beachten Sie: Besonders dann entsteht die Obliegenheit zur Kenntlichmachung, wenn die Steuerfahndung in Zusammenarbeit mit anderen Dienststellen in unübersichtlichen Bereichen (z.B. verwinkelte Unternehmensgrundstücke), großflächigen Räumlichkeiten (z.B. mehrstöckiges Bürogebäude mit unterschiedlichen Eingangsbereichen) oder sensiblen Durchsuchungsorten (z.B. Bordelle, Rockerclubs, clan-dominierte Etablissements) durchsucht und an der Durchsuchung Waffenträger anderer Dienststellen beteiligt sind. Hier muss von vornherein ausgeschlossen werden, dass der Waffenträger den Durchsuchungsbeamten der Steuerfahndung nicht als berechtigten Beamten ansieht und damit als Bedrohung ansehen könnte.
Eine vor dem Einsatz getroffene Entscheidung ist allerdings nicht abschließend. Auch während des laufenden Einsatzes kann die Entscheidung angepasst und eine Anordnung zur Offenbarung gegeben werden, wenn die Einsatzlage es erfordert.
Beispiel:
In der Einsatzplanung wurde davon ausgegangen, dass das Restaurant am Mittwoch-Mittag geschlossen hat. Beim Eintreffen der Steuerfahndung befindet sich dort wider Erwarten eine große Gesellschaft, die auf die eintreffenden Beamten aggressiv reagieren. Hier ist es angezeigt, die dienstliche Funktion entgegen der ursprünglichen Planung sofort und gut sichtbar kenntlich zu machen, um drohende E...