Leitsatz
Der Geschäftsführer eines Betriebes haftet gem. § 71 AO für Steuerschulden des Inhabers, wenn er als Gehilfe der Steuerhinterziehung anzusehen ist. Er handelt auch dann schuldhaft, wenn er strikt den Weisungen des Geschäftsinhabers unterliegt.
Sachverhalt
Der Vater des Klägers betrieb seit 1980 mehrere Gastronomiebetriebe. Er setzte sich Anfang 1998 ins Ausland ab. Der Kläger war im Betrieb sozialversicherungspflichtig angestellt, wobei sein Verdienst bis zu DM 60.000 im Jahr lag. In den Steuererklärungen, die vor Durchsuchungen der Steuerfahndung in den Betriebsräumen abgegeben wurden, war sein Beruf als Geschäftsführer angegeben. Der Kläger war daneben auch als selbständiger Unternehmer im Bereich Kassensysteme tätig und hat ab 1995 Speicherkassen im Betrieb seines Vaters installiert. Nachdem die Steuerfahndung bei einem Lieferanten des Betriebes neben einem offiziellen Konto auch zwei anonyme Konten, die für die betreffenden Gastronomiebetriebe geführt wurden, entdeckte, wurden die Räume des Betriebes durchsucht. Dabei wurde eine CD-ROM mit den tatsächlichen Umsätzen, korrespondierende Kassenbons für zwei Monate und Einkaufsquittungen eines Discount-Marktes, die gastronomietypischen Einkauf in großen Mengen auswiesen, aufgefunden. Die aus dem Material ersichtlichen Umsätze lagen wesentlich über den steuerlich erklärten, die lediglich auf einem manuell geführten Kassenbuch beruhten. Der Kläger hat außerdem Darlehens- und Mietverträge für den Betrieb - teilweise im eigenen Namen - unterzeichnet. Das Finanzamt nahm den Kläger als tatsächlichen Geschäftsführer bzw. mit der Abwicklung der kaufmännischen Angelegenheiten betrauten Mitarbeiter in die Haftung für die hinterzogenen Steuern
Entscheidung
Das Finanzgericht hat den Haftungsbescheid des Finanzamtes bestätigt. Die Steuerhinterziehung war aufgrund des vorgefundenen belastenden Materials relativ leicht zu belegen. Große Teile des Einkaufs wurden nicht erfasst und die seit 1995 bestehende Kassenerfassung wurde nicht korrekt in das Kassenbuch übernommen und die Belege bis auf die zufällig vorgefundenen vernichtet. Da keine ordnungsgemäße Buchführung vorlag, konnte das Finanzamt dem Grunde nach zuschätzen.
Auch die Haftung des Klägers für die hinterzogenen Steuern sah das Gericht als gegeben an. Es konnte dahinstehen, ob der Kläger als Mittäter oder als Gehilfe haftete. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist insofern eine Wahlfeststellung zulässig. Die Beihilfehandlung ist darin zu sehen, dass der Kläger Gespräche mit den Lieferanten führte und die Tageseinnahmen ins Kassenbuch eintrug. Damit förderte er die Haupttat, die Steuerhinterziehung des Vaters. Nach der Zeugenaussage des Steuerberaters sah es das Finanzgericht als erwiesen an, dass der Kläger die Schwarzeinkäufe aktiv mitgestaltet hat. Er gab die Belege zur Buchführung beim Steuerberater ab und war Hauptansprechpartner des Steuerberaters bei Rückfragen, insbesondere zu Kalkulationsdifferenzen. Auch die hohen Gehälter sprechen für eine geschäftsführerähnliche Stellung des Klägers im Betrieb seines Vaters.
Dem Kläger unterstellt das Gericht auch den Gehilfenvorsatz. Er liegt vor, wenn der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern. Der gesamte Sachverhalt zeigt deutlich, dass der Kläger in finanzieller Hinsicht das volle Vertrauen seines Vaters genoss und damit in das Vorgehen zur Verschleierung der wahren Umsätze eingeweiht war. Auch musste der Kläger nach der Einführung des Speicherkastensystems wissen, dass die Umsätze zu niedrig ausgegeben werden, wenn die Kassenbons nicht ausgewertet und in die Buchführung übernommen wurden.
Als Gehilfe einer rechtswidrig und schuldhaft begangenen Haupttat sah das Gericht auch seine eigene Schuld als gegeben an. Eine angeblich allumfassende Weisungsbefugnis des patriarchalischen Vaters entbindet den faktisch als Geschäftsführer tätigen Kläger nicht von seiner eigenen Verantwortung für die ihm ohne weiteres erkennbaren, steuerrelevanten Unregelmäßigkeiten.
Hinweis
Das Gericht hat die Haftung für fremde Steuerschulden sehr weit gezogen. Eine Stellung als faktischer Geschäftsführer sah das Gericht aufgrund einiger Indizien bereits als ausreichend gegeben an. Hinnehmbar erscheint es vorliegend vor allem deshalb, da bei der Durchsuchung eindeutig belastendes Material aufgefunden wurde.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 15.10.2003, 1 K 165/99 E,U