Die erfolgreichsten Organisationen der Welt verfolgen langfristige visionäre Ziele, die weit über ihre aktuellen Möglichkeiten hinausgehen und die fast lächerlich erscheinen: Wenn Leute diese Ziele das erste Mal hören, halten sie die Luft an. Allerdings sind diese GHWZ auch nicht für die Außenkommunikation bestimmt! Es ist höchstens etwas, über das man sich mit anderen Unternehmern vertraulich austauscht, um Feedback auf unternehmerischer Augenhöhe zu erhalten, wenn man noch an der Idee feilt oder sich an die Überarbeitung der Vision macht.
GHWZ festzulegen, ist Aufgabe der Kanzleiführung bzw. der Inhaber der Kanzlei.
Ein GHWZ erfordert Denken weit über die derzeitigen Möglichkeiten und die Situation im Umfeld hinaus. Außerdem geht es weit über den Fokus von Strategien hinaus: Denn um ein GHWZ langfristig (üblicherweise mit einem Zeithorizont von 3 bis 10 Jahren) zu verfolgen, ist es unumgänglich, die Geschäftsstrategien in dieser Zeit öfter zu verändern und auf aktuelle Gegebenheiten anzupassen. Das erfolgt dann aber, ohne die Vision bzw. das GHWZ zu verändern. Um ein GHWZ zu erreichen, muss eine Kanzlei völlig über sich hinauswachsen oder sich in ihrem Wesen komplett verändern. Sein Erreichen erfordert außergewöhnlichen Aufwand und Anstrengungen, die über lange Zeit auf genau dieses Ziel gerichtet sind. Es gehört sogar ein Quäntchen Glück zum Erreichen von GHWZ. Die Erfolgswahrscheinlichkeit für das Erreichen eines GHWZ beträgt deshalb auch nur etwa 50-70 % (Diese Erfolgswahrscheinlichkeit bezieht sich auf Unternehmen, die explizit Visionen entwickeln und damit arbeiten.).
GHWZ zu definieren, ist eine sehr anspruchsvolle und schöpferische Aufgabe für die Kanzleiführung. Es geht hier nicht um strategische oder analytische Fähigkeiten, sondern eher um einen kreativen Schöpfungsprozess. Eine Analogie sind Künstler: Sie erschaffen Kunstwerke scheinbar aus dem Nichts und erst im Nachhinein kann man die Bedeutung für die Gesellschaft analysieren und erkennen. Ähnlich verhält es sich mit unternehmerischen Visionen und dem GHWZ – sie entstehen in einem kreativen Schöpfungsakt und nicht durch versachlichte, betriebswirtschaftliche Kosten- und Nutzenanalysen.
Die Vision, und so auch das GHWZ als besonders langfristige Zielvorstellung, soll die gesamte Kanzlei langfristig in einer Erfolg versprechenden Entwicklungsrichtung halten. Aufgrund der besonderen Anstrengungen, die zum Erreichen des GHWZ nötig sind, soll die Vision gleichzeitig nötige Identifikation schaffen und Energie freisetzen, damit dieses Ziel überhaupt erreicht werden kann. Außerdem sorgt das GHWZ – wie alle Elemente des Leitbilds – für die tägliche Arbeit für Orientierung und mittelbare Koordinierung, wodurch eingesetzter Aufwand und Energie aller Personen in der Kanzlei in die gewünschte – und nicht etwa gegensätzliche – Richtung wirken können.
Wie stark werden Steuerberater durch ihre GHWZ beflügelt?
Bei einer Umfrage während eines Online-Seminars antworteten Steuerberater auf die Frage „Inwieweit trifft folgende Aussage auf Sie zu: Aus meiner Vorstellung über die Zukunft meiner Kanzlei (bzw. meine konkreten langfristigen Ziele) ziehe ich täglich Energie für meine Arbeit.” folgendermaßen:
- 16,6 % trifft völlig zu
- 48,1 % trifft ziemlich zu
- 18,5 % teils / teils
- 16,6 % trifft wenig zu
Je nach inhaltlichem Fokus und der angestrebten Entwicklungsrichtung können GHWZ qualitativ oder quantitativ auf einen bestimmten Zielmarkt bezogen, hinsichtlich eines/mehrerer bestimmter Wettbewerber auf ein Rollenmodell oder auf interne Transformation bezogen sein.
Die verschiedenen GHWZ-Typen für Kanzleien
GHWZ lassen sich in folgende Kategorien einteilen:
a) Zielmarktbezogen (qualitativ oder quantitativ), z. B.:
... einen Umsatz von mehr als 10 Mio. EUR erreichen
... die innovativste/bekannteste/... Kanzlei für XYZ/in einer Region sein
... in 100 Ländern der Welt vertreten sein
Branchenbeispiele:
- Bereich Lohn der Kanzlei Hübner & Hübner, Wien: "Wir wollen der größte Lohnverrechner von Österreich werden".
- Ecovis: "Wir wollen das führende Beratungsunternehmen für den Mittelstand in Deutschland sein".
b) Auf einen bestimmten Wettbewerber bezogen "David gegen Goliath", z. B.:
... Platzhirschkanzlei XYZ überholen
Branchenbeispiel:
- Rödl & Partner (1980er): "Wir wollen für den Mittelstand die bessere Alternative zu den Big8 in der internationalen Steuerberatung/Wirtschaftsprüfung sein."
c) Rollenmodell, z. B.:
... bei Mandanten so beliebt und verehrt wie Apple werden
… als Arbeitgeber so beliebt wie Google werden
d) Interne Transformation, z. B.:
... weg vom Deklarationsgeschäft hin zu reiner Beratung
... vom Image der durchschnittlichen Kanzlei zum beliebtesten Dienstleister für Unternehmer
vor Ort werden
... die Arbeit für alle in der Kanzlei so gestalten, dass Freude und Menschlichkeit im Vordergrund stehen