Leitsatz
1. Die Zugehörigkeit einer Stiftung zum Bereich des öffentlichen oder privaten Rechts richtet sich nach den gesamten Umständen des Streitfalls, insbesondere der Entstehungsform und dem Stiftungszweck.
2. § 3 Abs. 1 KStG hindert nur eine doppelte Besteuerung der einer Personenvereinigung oder Vermögensmasse selbst zuzurechnenden Einkünfte.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG , § 3 Abs. 1 KStG
Sachverhalt
Klägerin war eine nichtrechtsfähige Stiftung, die B. Ihre Errichtung beruht auf einem von B im Jahr 1858 erstellten Testament. Darin vermachte B der Stadt A ein Landgut zum Zwecke einer zu verwaltenden besonderen Stiftung. Die Erträge der Stiftung sollten (nach Abzug der Verwaltungskosten) für Stipendien für die Erziehung und Ausbildung von jeweils drei Kindern aus der Nachkommenschaft der fünf Söhne des Erblassers B verwendet werden. Sollten diese Nachkommen aussterben, sollten die Erträge der Stiftung den Bürgerkindern der Stadt A zugute kommen. Die Stadt A nahm die Stiftung an, die Königliche Regierung erteilte im Jahr 1873 die dazu erforderliche Genehmigung. Das Stiftungsvermögen wurde fortan von der Stadt A getrennt von ihrem übrigen Vermögen entsprechend den Anordnungen des Stifters verwaltet.
Im Jahr 1967 beschloss der Rat der Stadt A für die Stiftung eine Satzung, wonach nur noch bedürftige Nachkommen des Stifters bis zur Höhe des Sozialhilfesatzes gefördert werden sollten. Die überschießenden Mittel sollten zur Unterstützung von Kindern der Stadt A verwandt werden. Aufgrund dieser geänderten Satzung erkannte das FA die Stiftung als gemeinnütziges Zweckvermögen an.
Im Jahr 1979 beantragte ein Nachkomme des Stifters bei der Stadt A, ihm ein Stipendium aus den Stiftungserträgen zu gewähren. Dies lehnte die Stadt unter Hinweis auf die fehlende Bedürftigkeit des Antragstellers ab. In dem sich anschließenden Verwaltungsrechtsstreit entschied das zuständige OVG Münster (Urteil vom 23.3.1984, 15 A 1620/81, DÖV 1985, 983) im Jahr 1984, dass die Klägerin im Jahr 1873 als öffentlich-rechtliche unselbstständige kommunale Stiftung entstanden und die Satzungsänderung im Jahr 1967 nichtig sei. Letztere enthalte eine unzulässige Änderung des Stiftungszwecks. Als Folge dieser Entscheidung verneinte das FA nunmehr die Gemeinnützigkeit der Klägerin.
In den Streitjahren 1991 bis 1994 erzielte die Klägerin Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus VuV. Sie verneinte jedoch ihre Kostenpflicht unter Hinweis auf § 3 Abs. 1 KStG. Das FA war anderer Auffassung.
Entscheidung
Der BFH gab dem FA (wie schon zuvor das FG, siehe EFG 2001, 39) Recht. Die (nichtrechtsfähige) Stiftung sei abweichend von der (insoweit nicht bindenden) OVG-Entscheidung als eine solche des privaten Rechts zu behandeln, die gem. § 1 Abs.1 Nr. 5 KStG der Steuerpflichtigen unterfalle. Für die Abgrenzung zwischen einer öffentlich- und einer privatrechtlichen Stiftung müsse auf die Gesamtheit aller einschlägigen Umstände abgestellt werden. Bedeutsam sei hierbei namentlich die Organisationsform und der Gründungsakt.
Bei dieser Ausgangslage stehe für die Klägerin im Vordergrund, dass ihr ein zivilrechtlicher Akt – die letztwillige Verfügung des Stifters – zugrunde liege und dass sie nach ihrer Stiftungsordnung primär die Nachkommen des Stifters begünstige. Ihre Aufgaben unterfielen damit nicht in den öffentlichen Funktions- und Verwaltungsbereich. Dass die Stadt als Trägerin des Stiftungsvermögens eine öffentlich-rechtliche Körperschaft sei, trete dahinter zurück. Wichtig und wesentlich sei die rechtliche Verselbstständigung der Stiftung, die von der Rechtsform ihres Trägers unabhängig sei.
Auch § 3 Abs. 1 KStG stehe der Steuerpflicht nicht entgegen, weil diesem Tatbestand einerseits eine Auffangfunktion zukomme, um Besteuerungslücken auszuschließen, andererseits, um Doppelbesteuerungen bei der Stiftung und bei dahinterstehenden Personen zu vermeiden. Weder das eine noch das andere drohe im Streitfall. Dass die Stiftungserträge ggf. von den Stiftungsdestinatären zu versteuern seien, folge daraus, dass es sich bei diesen Erträgen um deren eigene Einkommen handele.
Hinweis
Es handelt sich um einen absoluten Einzelfall ohne große verallgemeinernde Wirkung. Festzuhalten ist:
1. Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG sind nichtrechtsfähige Stiftungen des privaten Rechts kostenpflichtig, wenn sich ihre Geschäftsleitung oder ihr Sitz im Inland befindet. Ob es sich um eine Stiftung des privaten oder des davon (oftmals nur unter Schwierigkeiten) abzugrenzenden öffentlichen Rechts handelt, bestimmt das BVerfG (Beschluss vom 6.11.1962, BVerfGE 15, 46) und – diesem folgend – der BFH unter Berücksichtigung der "Gesamtheit aller Umstände" des Einzelfalls. Bedeutsam sind zuvörderst die Stiftungsordnung und der Gründungsakt: Liegt der Gründung ein Zivilrechtsakt zugrunde und weist die Stiftungsordnung keine unmittelbaren Bezüge zur öffentlichen Verwaltung und zu Hoheitsaufgaben auf, ist sie also kein "organischer Bestandteil der staatlichen Ordnung", z.B. im Bereich der Wohlfahrtspflege, dann spr...