1. Fehlende abgeschlossene steuerrechtliche Regelungen für Cum/Cum-Transaktionen
Für Cum/Cum-Transaktionen gibt es entsprechend wie bei Cum/Ex-Transaktionen keine abschließende steuerrechtliche Grundlagen. Mit § 36a EStG hat der Gesetzgeber lediglich eine Missbrauchsvermeidungsnorm in das EStG eingefügt. Daneben kommen zusätzlich noch die seitens der Finanzgerichtsbarkeit anhand der allgemeinen Normen der AO zum wirtschaftlichen Eigentum bzw. Missbrauchsvermeidung entwickelten allgemeinen Grundsätze bei Cum/Cum-Transaktionen zur Anwendung.
2. Steuergesetzliche Behandlung zur Missbrauchsvermeidung bei Cum/Cum-Transaktionen gem. § 36a EStG
Mit Wirkung zum 1.1.2016 hat der Steuergesetzgeber § 36a EStG in das EStG eingeführt. Die Vorschrift ist die zentrale Missbrauchsvermeidungsnorm für Cum/Cum-Transaktionen. Als Voraussetzung für die steuerliche Anrechenbarkeit der durch Steuerabzug erhobenen Einkommensteuer werden durch § 36a EStG die folgenden Vorgaben gemacht:
- Erreichung der Mindesthaltedauer von 45 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 45 Tagen vor und 45 Tage nach der Fälligkeit der Kapitalerträge, § 36a Abs. 2 S. 1 EStG.
- Ununterbrochenes wirtschaftliches Eigentum des anrechnungsberechtigten Steuerpflichtiger während der Mindesthaltedauer, § 36a Abs. 1 Nr. 1 EStG.
- Übernahme des Mindestwertänderungsrisiko durch anrechungsberechtigten Steuerpflichtigen während der Mindesthaltedauer, § 36a Abs. 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 36a Abs. 3 EStG.
- Keine Verpflichtung des anrechungsberechtigten Steuerpflichtigen Kapitalerträge anderen Personen zu vergüten, § 36a Abs. 1 Nr. 3 EStG.
Sofern diese Voraussetzungen insgesamt bzw. im Einzelnen nicht erfüllt sind, sind 3/5 der KapESt nicht anrechenbar, § 36a Abs. 1 S. 2 EStG. Die insoweit nicht angerechnete KapESt kann auf Antrag bei der Ermittlung der steuerlichen Einkünfte abgezogen werden.
Beraterhinweis Dem Dividendenberechtigten wird somit durch § 36a EStG nicht ein vollständiger Anrechnungsausschluss auferlegt. Vielmehr erfolgt lediglich eine Anrechnungsbeschränkung, mit der der aus der Gestaltung ergebende steuerliche Vorteil – Vermeidung der steuerlichen Effektivbelastung von 15 % – neutralisiert werden soll. Der auf die KapESt i.H.v. 25 % erhobene SolZ kann dagegen vollumfänglich angerechnet werden, vgl. § 1 Abs. 2 S. 1 SolZG.
3. Behandlung von Cum/Cum-Transaktionen durch die Finanzrechtsprechung
a) BFH – I R 88/13
Der BFH hat bereits im Jahr 2015 über steuerliche Auswirkungen einer sog. strukturierten Wertpapierleihe entschieden (BFH v. 18.8.2015 – I R 88/13, BStBl. II 2016, 961):
Im Sachverhalt ging es um einen Standard-Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen. Auf der Basis dieses Vertrags tätigten Verleiher – ein britisches Finanzinstitut – und Entleiher – ein deutsches Maschinenbauunternehmen – eine Reihe von Wertpapierleihgeschäften. Die jeweilige Vertragsdauer betrug 14 Tage und erstreckte sich über den Dividendenstichtag der verliehenen Aktien. Der Maschinenbauer als Entleiher vereinnahmte die Dividenden und kompensierte dies unmittelbar gegenüber dem verleihenden Finanzinstitut. Eine Ausübung von Aktionärsrechten durch das Maschinenbauunternehmen in Zusammenhang mit den ausgeliehenen Aktien war durch die Parteien nicht vorgesehen.
Der BFH hat dazu entschieden, dass eine Wertpapierleihe noch keinen Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Aktien bewirkt, wenn sie dem Entleiher lediglich eine formale zivilrechtliche Rechtsposition einräumt. Dies kann nach der Gesamtwürdigung aller Umstände der Fall sein, wenn der Entleiher
(1) im wirtschaftlichen Sinn nicht über die Dividenden aus den verliehenen Aktien verfügen kann,
(2) nicht die Stimmrechte auf der Hauptversammlung ausüben darf und zudem
(3) auch nicht das in den Aktien verkörperte Kapital wirtschaftlich nutzen soll, etwa zur Zwischenfinanzierung anderer Vorhaben.
In einem solchen Fall erlange der Entleiher lediglich eine "leere" zivilrechtliche Eigentumshülle, die steuerlich kein wirtschaftliches Eigentum begründe und daher auch keine Zurechnung der Dividenden rechtfertigen würde. Dividenden, die einem solch eine "leere" Eigentumshülle innehabenden Entleiher ausbezahlt werden, sind steuerlich nicht als Kapitalerträge i.S.d. § 8b KStG freigestellt. Offengelassen hat der BFH in dieser Entscheidung, ob die Übertragungsvorgänge nach Maßgabe des § 42 AO als rechtsmissbräuchlich anzusehen sind.
Beraterhinweis In Anbetracht dieses BFH-Urteils aus dem Jahr 2015 ist es überraschend, dass im BMF-Schreiben (alt) aus dem Jahr 2017 die Auffassung vertreten wurde, dass bei Cum/Cum-Transaktionen schwerpunktmäßig ein Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO zu prüfen sei, ohne für die Prüfung der Frage des wirtschaftlichen Eigentums die in der BFH-Entscheidung dargestellten Kriterien für maßgeblich zu erklären.
b) FG Hessen – 4 K 890/17
aa) Sachverhalt
Das Hessische FG hat im Jahr 2020 zur steuerrechtlichen Behandlung von Cum/Cum-Transaktionen Stellung genommen (FG Hess. v. 28.1.2020 – 4 K 890/17, WM 2020, 1587, rechtskräftig).
Der Entscheidung lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Eine Bank hatte in den Jahren 2004-2006 im Wege einer Wertpapierleihe deutsche Aktien cum Dividende jeweils kurz vor dem Dividendenstichtag als sog. revolvierenden Wertausgleich für die darlehensweise Hingabe festverzinslicher Wertpapiere erworben und ordnete diese anschli...