Der BFH entschied in diesem Fall, dass wiederkehrende Leistungen und Zahlungen,
- die der Erblasser durch letztwillige Verfügung einem Vorerben zugunsten eines zum Generationennachfolge-Verbund gehörenden Nacherben für die Dauer der Vorerbschaft auferlegt und
- die aus dem übergegangenen Vermögen zu erbringen sind,
dem Rechtsinstitut der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen zuzuordnen sein können.
a) Ausgangssituation
Im vom BFH entschiedenen Fall war der Steuerpflichtige zunächst mit seinem Vater (V) Miteigentümer eines vermieteten Mehrfamilienhauses. An der Grundstücksgemeinschaft waren der V zu 75 % und der Steuerpflichtige zu 25 % beteiligt. V verstarb im Jahr 1989. Testamentarische Alleinerbin wurde die Stiefmutter (S) des Steuerpflichtigen – allerdings als nicht befreite Vorerbin. Als Nacherben nach dem Tod der S bestimmte V den Steuerpflichtigen. Der V beschwerte die S mit dem Vermächtnis, dem Steuerpflichtigen "in der Zeit der Vorerbschaft" 25 % der Einnahmen aus dem vererbten Grund- und Wertpapiervermögen zukommen zu lassen.
Der Steuerpflichtige setzte die Grundstücksgemeinschaft nach dem Tod des V mit S fort. Entsprechend der testamentarischen Anordnung bezog er in den Streitjahren 2014-2016 von S aus den ihr zuzurechnenden Einnahmen aus der Vermietung des Mehrfamilienhauses regelmäßig wiederkehrende Leistungen.
Das FA ging es von einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen aus und besteuerte die Zahlungen der S für die Streitjahre als sonstige Einkünfte.
b) Entscheidung des BFH
Der X. Senat des BFH entschied, dass die Vermächtniszahlungen für S die Voraussetzungen eines Sonderausgabenabzugs erfüllen. Denn die durch letztwillige Verfügung des V zugunsten des Steuerpflichtigen angeordneten Zahlungen sind dem durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geprägten Sonderrechtsinstitut einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen vergleichbar.
Beachten Sie: Es handelte sich um einen Fall nach altem Recht, weil der Vertrag vor dem 1.1.2008 abgeschlossen worden war.
Der BFH stellt einer lebzeitigen Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen den Fall gleich, dass die Versorgungsleistungen ihren Entstehungsgrund in einer letztwilligen Verfügung haben.
Beachten Sie: Hierfür wird vorausgesetzt, dass sich der Vermögensübergeber Versorgungsleistungen für solche Personen vorbehält, die ihm gegenüber erb- oder pflichtteilsberechtigt sind, d.h. insbesondere überlebender Ehepartner und Kinder.
c) Unterschied zu bislang entschiedenen Fällen
Pflichtteilsberechtigter Abkömmling verzichtet nicht dauerhaft und endgültig auf erbrechtliche Positionen, ...: Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich von den bislang durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu entschiedenen Fällen darin, dass der Steuerpflichtige, der als grundsätzlich pflichtteilsberechtigter Abkömmling des V (§ 2303 Abs. 1 BGB) zu dessen Generationennachfolge-Verbund gehört, nicht dauerhaft und endgültig auf erbrechtliche Positionen verzichtet.
... sondern bleibt – als Nacherbe – gesetzlicher Erbe erster Ordnung: Denn die testamentarische Anordnung des V, die S als alleinige Erbin einzusetzen, schließt den Steuerpflichtigen nicht von seiner Erbenstellung aus. Als Nacherbe i.S.d. § 2100 BGB ist seine Erbeinsetzung lediglich zeitlich nachrangig ausgestaltet. Er bleibt gesetzlicher Erbe erster Ordnung (§ 1924 Abs. 1 BGB) und wird – wenn auch erst mit Eintritt des Nacherbfalls, d.h. mit dem Tod der Vorerbin S – Gesamtrechtsnachfolger nach V (§ 2139 BGB).
Vor- und Nacherbe
- sind beide Erben desselben Erblassers und derselben Erbschaft und
- folgen nur zeitlich einander nach.
Fehlt es somit an einem durch Verfügung von Todes wegen erfolgten Ausschluss von der Erbfolge, kann jedenfalls ein nach § 2303 Abs. 1 BGB begründetes Pflichtteilsrecht, auf das der Steuerpflichtigen zugunsten von vermächtnisweise festgelegten Versorgungsleistungen hätte verzichten können, nicht bestehen.
d) Folgen für die Beratungspraxis
Der BFH stellt hier erstmals für den Fall einer Vor- und Nacherbschaft klar, dass ein grundsätzlich pflichtteilsberechtigter Abkömmling nicht dauerhaft und endgültig auf erbrechtliche Positionen verzichten muss. Vielmehr ist es ausreichend, dass
- der Versorgungsempfänger als Nacherbe bei wirtschaftlicher Betrachtung beschränkt ist und
- seine Anwartschaft in der Phase der Vorerbschaft in Bezug auf die Nutzung des Nachlasses keinen wirtschaftlichen Wert hat.