In diesem Urteilsfall ging es um die Frage, ob jegliche Abweichung zwischen
- den vereinbarten Leistungen und
- der tatsächlichen Durchführung
schädlich ist.
a) Ausgangssituation/Sichtweise des BFH
Streitig war in den Streitjahren 2009, 2011 und 2012 die Berücksichtigung von Altenteilsleistungen aufgrund eines nach dem 31.12.2007 abgeschlossenen Hofübergabevertrags als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG (jetzt: § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG).
Steht "schlicht vergessene Durchführung" einer Erhöhung dem Rechtsbindungswillen entgegen? Im Mittelpunkt stand die Frage, ob eine "schlicht vergessene Durchführung" einer Erhöhung von Baraltenteilsleistungen ab dem 65. Lebensjahr des Altenteilers, die sich aus einer Wertsicherungsklausel ergibt, dem erforderlichen Rechtsbindungswillen entgegensteht (so das FG in der Vorinstanz).
Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten maßgebend: Für die Beurteilung, ob Verträge zwischen nahen Angehörigen ertragsteuerrechtlich anzuerkennen sind, ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten maßgebend:
- zwar müssen die vertraglichen Hauptpflichten klar und eindeutig vereinbart sowie
- entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden.
b) Schädlichkeit von Abweichungen?
Nicht jede geringfügige Abweichung ist schädlich: Jedoch schließt nicht jede geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Vielmehr sind
- die einzelnen Kriterien des Fremdvergleichs
- i.R.d. gebotenen Gesamtbetrachtung
- unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, ob sie der ertragsteuerrechtlichen Anerkennung entgegenstehen.
Schädliche Umstände: Ob die Abweichungen einer ertragsteuerrechtlichen Anerkennung entgegenstehen, ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Vollzug der Vereinbarung gekennzeichnet ist
- durch willkürliche Aussetzung und anschließende Wiederaufnahme der Zahlungen, darüber hinaus aber auch
- durch Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags, die nicht durch Änderungen der Verhältnisse gerechtfertigt sind.
Unschädliche Umstände: Demgegenüber beruhen Änderungen,
- die durch nachweisbare Umstände veranlasst sind,
- die nach Maßgabe des Vertragstextes oder nach der Rechtsnatur des Vertrags rechtserheblich sind (insbesondere aus einer – in der Regel langfristig – veränderten Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und/oder einer veränderten Bedarfslage des Berechtigten resultieren)
gerade auf den Besonderheiten dieses Rechtsinstituts – und sind daher ertragsteuerrechtlich nicht nur unschädlich, sondern zeigen gerade den Willen der Vertragsparteien an, sich an dieses Rechtsinstitut gebunden zu halten.
c) Zurückweisung an die Vorinstanz
Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und Entscheidung an das FG zurück.
Vorliegen eines Rechtsbindungswillens? Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung wird das FG hinsichtlich der einzelnen Altenteilsleistungen zu prüfen haben, ob ein Rechtsbildungswille zur Zahlung von Versorgungsleistungen vorgelegen hat – insbesondere im Hinblick auf die Behauptungen der Steuerpflichtigen, sie hätten alle weiteren Altenteilsleistungen vertragsgemäß erbracht. Sollte sich diese Behauptung als zutreffend herausstellen, wäre dieser Umstand i.R.d. Gesamtwürdigung zugunsten der Steuerpflichtigen zu berücksichtigen.
Beachten Sie: Außerdem ist zu beachten, dass für die – anhand einer Gesamtbeurteilung zu beantwortende – Frage, ob ein Versorgungsvertrag im Wesentlichen entsprechend der Vereinbarung durchgeführt worden ist, auch die tatsächliche Durchführung eines vereinbarten Wohnrechts mit dem entsprechenden Jahreswert heranzuziehen ist.
d) Folgen für die Beratungspraxis
Die Entscheidung definiert klar und eindeutig, wann ein Übergabevertrag mit Rechtsbindungswillen abgeschlossen worden ist. Der BFH
- stellt dabei auf eine Gesamtwürdigung ab und
- lässt Änderungen, die auf nachweisbaren Umständen beruhen, zu.
Das schlichte "Vergessen" einer Zahlung muss damit noch nicht zu einem fehlenden Rechtsbindungswillen führen – anders hingegen, wenn eine vereinbarte Zahlung von Anfang an vergessen wird.
Insofern wird die Finanzverwaltung künftig nicht mehr jede Abweichung vom Vereinbarten zum Anlass nehmen können, den Sonderausgabenabzug zu versagen, sondern sich im Einzelnen mit der Frage befassen müssen, ob trotz der Abweichung i.R.d. Gesamtbetrachtung gleichwohl noch ein Rechtsbindungswille besteht.
Dabei ist i.R.d. Gesamtbetrachtung
- nicht nur auf die Barzahlungen abzustellen,
- sondern auch auf den Miet- bzw. Nutzungswert des Wohnungsrechts.
Hier vertritt der BFH die Auffassung, den Wohnteil nicht nur im Fall der Übergabe der "Betriebe" der Land- und Forstwirtschaft, sondern auch bei der Übergabe von Mitunternehmeranteilen an einer land- und forstwirtschaftlichen Personengesellschaft (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG) mit einzubeziehen.
Umfang des übernommenen Pflegerisikos: Bei Vermögensübergaben gegen Versorgungsleistungen, für die § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der ab 2008 geltenden Fassung anzuwenden ist, reicht es jedenfalls aus, wenn das Pflegerisiko in einem Umfang übernommen wir...