a) Ausgangssituation
Im Urteilsfall IX R 11/19 übertrug der im Jahr 1939 geborene V mit notariell beurkundetem Grundstücksübertragungsvertrag vom 5.11.2011 ein in seinem Eigentum stehendes vermietetes Mehrfamilienhaus auf seine Tochter, die Steuerpflichtige.
Nach § 4 des Grundstücksübertragungsvertrages erfolgte die Übertragung "unentgeltlich im Wege der Schenkung". Zugunsten des V war jedoch eine lebenslange, wiederkehrende, nicht wertgesicherte Leistung von monatlich 2.000 EUR zu erbringen. Zur Absicherung des Leistungsanspruchs bewilligten und beantragten die Beteiligten die Eintragung einer Reallast zugunsten des V. In § 1 des Grundstücksübertragungsvertrages verpflichtete sich die Steuerpflichtige, V von der Mithaft für alle im Grundbuch eingetragenen dinglichen Belastungen freizustellen. Ferner verpflichtete sie sich, über den übertragenen Grundbesitz nur mit Zustimmung des Übertragenden zu verfügen – insbesondere diesen zu verkaufen oder zu belasten.
Nachdem eine Grundpfandgläubigerin die in § 1 des Grundstücksübertragungsvertrages vorgesehene Schuldübernahme nicht genehmigt hatte, löste V die noch offenen Darlehensvaluten ab. Vor diesem Hintergrund verpflichtete sich die Steuerpflichtige in einem unter dem 22.12.2011 geschlossenen geänderten Grundstücksübertragungsvertrag, dem V den für die Ablösung der Darlehensvaluten aufgewendeten Betrag i.H.v. 50.544,28 EUR zu ersetzen und ihm eine lebenslange, wiederkehrende, nicht wertgesicherte Leistung von monatlich 2.500 EUR zu bezahlen.
In ihrer ESt-Erklärung für das Streitjahr 2013 berücksichtigte die Steuerpflichtige die vertraglich vereinbarten wiederkehrenden Leistungen an V i.H.v. (2.500 EUR × 12 Monate =) 30.000 EUR als Werbungskosten (WK) bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus dem vermieteten Mehrfamilienhaus.
Das FA bewertete die Zahlungen der Steuerpflichtigen als Leibrente i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 S. 2 EStG und berücksichtigte im ESt-Bescheid für das Streitjahr lediglich den sich aus § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG ergebenden Ertragsanteil i.H.v. 3.900 EUR jährlich als WK.
b) Entscheidung des BFH
Der erkennende BFH entschied, dass die Übertragung von Vermögen gegen Versorgungsleistungen nur im Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG (bzw. früher: § 10 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG i.d.F. des JStG 2008) unentgeltlich ist. Wird nach dieser Vorschrift nicht begünstigtes Vermögen übertragen, liegt ertragsteuerrechtlich eine entgeltliche oder teilentgeltliche Übertragung vor.
c) Folgen für die Beratungspraxis
Bei Übertragung eines Vermietungsobjekts des Privatvermögens gegen Leibrente führen die wiederkehrenden Leistungen des Übernehmers an den Übergeber
- in Höhe ihres Barwerts zu Anschaffungskosten, die mit den AfA berücksichtigt werden, und
- in Höhe ihres Zinsanteils zu sofort abziehbaren WK bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Der BFH hat mit der Entscheidung die bislang offene Frage geklärt, ob im Fall der Übertragung nicht privilegierten Vermögens gegen Versorgungsleistungen unter nahen Angehörigen
- auch hier die Vermutung der Unentgeltlichkeit greift oder
- stets von einer teilentgeltlichen Übertragung auszugehen ist.
Die Finanzverwaltung ist auch bislang schon so verfahren wie jetzt entschieden.
§ 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG begünstigt nicht Übertragung von Vermietungsobjekten: Da § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG die Übertragung von Vermietungsobjekten (im Streitfall: ein Mehrfamilienhaus) nicht begünstigt, ist im Fall der Übertragung gegen wiederkehrende Leistungen von einer voll- oder teilentgeltlichen Übertragung auszugehen. Dies bedeutet für den Empfänger des Vermögens, dass
- ein Sonderausgabenabzug ausgeschlossen ist,
- er jedoch – falls er mit dem Objekt Einkünfte erzielt – den Zinsanteil als WK und den Barwert der wiederkehrenden Leistungen im Wege der AfA geltend machen kann.