Dipl.-Finanzwirt Rüdiger Happe
Leitsatz
Fehlt im Zeitpunkt des Erlasses des Feststellungsbescheids über das steuerliche Einlagekonto eine Steuerbescheinigung über eine Ausschüttung aus der Kapitalrücklage, führt dies zu einer kapitalertragsteuerpflichtigen Leistung
Sachverhalt
Die X-GmbH beschloss am 27.7.2010 eine Ausschüttung aus der Kapitalrücklage, die am Folgetag, ohne eine Bescheinigung nach § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG zu erstellen, ausgezahlt wurde. Die Steuererklärungen der GmbH enthielten keine Hinweise auf eine Ausschüttung. Lediglich aus den Bilanzerläuterungen war ersichtlich, dass eine Ausschüttung erfolgt sein musste. Das Finanzamt erließ am 10.2.2012 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG zum 31.12.2010 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Dezember 2012 ging beim Finanzamt ein Antrag gemäß § 164 Abs. 2 AO auf Änderung des Feststellungsbescheids ein. Den Antrag, mit dem eine Verminderung des steuerlichen Einlagekontos um die Ausschüttung beantragt wurde, lehnte das Finanzamt ab. Nach einer Betriebsprüfung wurde Kapitalertragsteuer auf die Ausschüttung festgesetzt. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch und - nach ablehnender Einspruchsentscheidung - Klage ein.
Die Klägerin macht geltend, dass die Sätze 1 bis 3 des § 27 Abs. 5 KStG verfassungswidrig seien oder aber einschränkend dahingehend auszulegen, dass das Berichtigungs- und Erteilungsverbot nicht uneingeschränkt gelte. Es erfasse zum einen nur Bescheinigungen an anrechnungsberechtigte Anteilseigner; zum anderen sei es nur dann anzuwenden, wenn in der Bescheinigung unzutreffende Angaben gemacht worden seien, nicht aber wenn keine Bescheinigung erstellt wurde. Eine Kapitalertragsteuer sei nicht entstanden. Einkünfte des Anteilseigners aus Kapitalvermögen seien aufgrund der Fiktion des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG erst mit Zugang des Feststellungsbescheids bei der Klägerin entstanden. Da die Abzugsmasse nicht mehr vorhanden sei, sei die Erhebung der Steuer durch Abzug vom Kapitalertrag bei einem solch nachgelagerten Kapitalertrag nicht möglich.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage zurück. § 27 Abs. 5 KStG ist verfassungsgemäß (BFH, Urteil v. 11.2.2015, I R 3/14, BStBl 2015 II S. 816, I. 2 c). Auch entsteht eine Bindungswirkung des Feststellungsbescheids an die dem Anteilseigner bis zur Feststellung des Einlagekontos erteilte Steuerbescheinigung. Eine fehlende Bescheinigung kann nur bis zur Bekanntgabe des Feststellungsbescheides erstellt werden. Das gilt für nicht anrechnungsberechtigte Anteilseigner. Auch ist die Kapitalertragsteuer zu Recht festgesetzt worden. Wurde für eine Leistung bis zum Tag der Bekanntgabe des Feststellungsbescheides eine Steuerbescheinigung nicht erteilt, gilt der Betrag der Einlagenrückgewähr als mit 0 Euro bescheinigt und die Leistung damit am Tag der Bekanntgabe des Feststellungsbescheides steuerpflichtig. Dieses wirkt auf den Zeitpunkt des Zuflusses zurück, sodass die Kapitalertragsteuer am 28.7.2010 entstanden ist.
Hinweis
Entscheidend für die Feststellung, dass eine Kapitalrückzahlung vorliegt, ist die Steuerbescheinigung, die dem Anleger erteilt wird. Fehlt diese, liegen steuerpflichtige Erträge vor, für die Kapitalertragsteuer einzubehalten ist. Hierfür haftet die ausschüttende Gesellschaft. Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen, die beim Bundesfinanzhof unter dem Az. I R 30/16 anhängig ist.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.04.2016, 6 K 2703/15